Ein Blick ins Gesetzbuch… – SWR Aktuell

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Ein Blick ins Gesetzbuch… – SWR Aktuell

Wenn ein Gesetz je nach Standort völlig unterschiedlich ausgelegt wird, stimmt etwas nicht. Entweder mit dem Gesetz – oder mit denen, die es interpretieren, sagt Pascal Fournier.

Vielleicht ist es ein bisschen naiv, aber… als Nicht-Jurist dachte ich immer, dass Gesetze und Verordnungen dazu da sind, die Dinge klar zu regeln. Beispiel: „Du sollst nicht stehlen“. 7. Gebot. Glasklar. Jeder weiß: Wenn ich etwas nehme, das mir nicht gehört, gibt es Probleme.

Sie können sich hier auch das Audio von Pascal Fourniers Kolumne anhören:















Auf der Seite der Bundesregierung zu den Corona-Verordnungen heißt es:

„Die bisherige Rechtsgrundlage für die meisten Corona-Schutzmaßnahmen ist am 19. März abgelaufen.“ Die meisten Bundesländer haben eine Übergangsfrist genutzt und die geltenden Schutzmaßnahmen bis zum 2. April verlängert.

Sonntag ist der 3. April, also – natürlich: Ab Sonntag werden fast alle Corona-Einschränkungen aufgehoben. Die Landkarte Deutschlands in Sachen Vorfälle sieht düster aus, aber egal: Gesetz ist Gesetz.

Bei einem anderen, eigentlich recht ähnlichen Text gibt es aber offensichtlich Verständnisprobleme. ZITAT aus dem Gesetzentwurf der Ampelkoalition:

„Bei einer lokal bedrohlichen Infektionslage (sog. „Hot Spot“), […] Für die betroffenen Kommunen stehen erweiterte Schutzmaßnahmen zur Verfügung. Voraussetzung ist allerdings, dass das Parlament des jeweiligen Landes das Bestehen einer konkreten Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage und die Anwendbarkeit der erweiterten Schutzmaßnahmen festgestellt hat.

Die Sprache ist etwas sperrig, ja – aber wenn man sich darauf einlässt, sagt sie deutlich: Ein Landtag muss nur entscheiden: „Da und da ist ein Corona-Hotspot“, oder auch: „Wir sind insgesamt ein Corona-Hotspot“. – und schon können Sie zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie ergreifen. Obligatorische Tests oder 2GPlus zum Beispiel.


Wenn ein Gesetz je nach Standort völlig unterschiedlich ausgelegt wird, stimmt etwas nicht. Entweder mit dem Gesetz – oder mit denen, die es interpretieren, sagt Pascal Fournier.






PantherMedia / Andriy Popov


Zugegeben, der Originaltext des Gesetzes liest sich etwas plumper, sollte aber mit etwas gutem Willen zumindest für Berufspolitiker eigentlich verständlich sein. Aber etwas in dieser „Hotspot-Regel“ scheint äußerst unklar und zweideutig zu sein. Und je weiter du nach Süden gehst. Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg können das Gesetz offenbar ganz einfach umsetzen, haben sich zu Hotspots erklärt und Schutzmaßnahmen verhängt. Bayern hingegen sperrt sich selbst, und auch Baden-Württemberg nennt die „Hotspot-Regelung“ „ungeeignet“ und lehnt deren Anwendung kategorisch ab. Zwar wütet die Landesregierung in Stuttgart gleichzeitig gegen das Ende der Schutzmaßnahmen.

Da draußen lauert eine Inzidenz von über 1.500 – und jetzt ist Pandemieschutz plötzlich Privatsache? Weil Grün-Schwarz die verabschiedete Version der Hotspot-Regel nicht gefällt? Ähm – ehrlich jetzt?

Voltaire hat einmal gesagt: „Jedes Gesetz sollte klar, einheitlich und präzise sein; es zu interpretieren bedeutet fast immer, es zu verderben!“ Wie gesagt, ich bin kein Jurist – aber ich glaube, ich habe eine Ahnung, was er meinte…