Gesundheit – München – Personalmangel in Kliniken: Bis zu 20 Prozent – Bayern

Startseite » Gesundheit – München – Personalmangel in Kliniken: Bis zu 20 Prozent – Bayern

München (dpa/lby) – Die Rekordwerte bei den Corona-Zahlen sorgen auch in Bayerns Krankenhäusern für hohe Personalengpässe – und entfachen den Streit um eine mögliche Verlängerung einiger Corona-Regeln neu. Am Freitag forderten die Grünen, zumindest die Maskenpflicht in Innenräumen über den 2. April hinaus aufrechtzuerhalten – die FDP lehnt dies strikt ab. Die Landesregierung hat ihre Vorgehensweise bisher offen gelassen.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) beklagte am Freitag, dass sie wegen der hohen Corona-Infektionszahlen in der Belegschaft mit weit überdurchschnittlichem Personalmangel zu kämpfen habe. „Das ist ein flächendeckendes Problem“, sagte ein BKG-Sprecher. Eine bundesweite Statistik zu Corona-bedingten Personalengpässen in den Kliniken gibt es daher nicht, die Krankenhäuser melden dies aber in zahlreichen internen Gesprächen ihrem Dachverband.

„Wir haben Krankenstände von bis zu 20 Prozent“, sagte der Sprecher. „Nicht wenige Kliniken müssen geplante Operationen erneut verschieben.“ Einige Häuser hätten sich auch vorübergehend von der Notbetreuung abmelden müssen. Die akuten Probleme verschärfen den ohnehin großen Personalmangel – laut einer BKG-Umfrage sind durchschnittlich zwischen acht und neun Prozent der Stellen unbesetzt.

Die sehr hohen Corona-Zahlen in der Bevölkerung wirken sich indirekt auch auf die Kliniken aus: Da viele Kinder in Quarantäne geschickt werden, fallen Mütter oder Väter, die im Krankenhaus arbeiten, oft mehrere Tage aus. Gleichzeitig kämpfen die Kliniken mit Rekordzahlen an Corona-positiven Patienten: Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit waren es am Mittwoch knapp 5.200, so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren. Viele dieser Patienten werden nicht wegen Covid, sondern wegen anderer Krankheiten behandelt. Dennoch ist der Aufwand für die Krankenhäuser sehr hoch. Denn infizierte Patienten werden meist isoliert auf getrennten Stationen behandelt.

Am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut für Bayern erneut eine Sieben-Tages-Inzidenz von 2.199,9 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Das ist exakt derselbe Wert, den das RKI bereits am Donnerstag für Bayern gemeldet hatte und der einen im Bundesdurchschnitt noch nicht erreichten Rekord bedeutete. Die bayerischen Gesundheitsämter meldeten laut RKI 59.025 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Nach Schätzungen des LGL liegt die tatsächliche Zahl der Infektionen sogar noch höher. Gründe sind die Dunkelziffer der Infektionen und Verzögerungen bei der Meldung an die lokalen Behörden.

Die Münchner Virologin Ulrike Protzer geht davon aus, dass die Zahlen weiter steigen werden. „Man kann im Moment nicht sagen, wie lange die Zahlen steigen und wann der Höhepunkt der Welle erreicht sein wird“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). Sie sagte aber auch, „dass jetzt Lockerungen bedacht werden müssen. Denn wir haben jetzt eine sehr gute Immunität in der Bevölkerung, die es uns erlaubt, mit der Omicron-Variante umzugehen, die nicht so schwere Erkrankungen verursacht.“ Deshalb müsse man jetzt damit beginnen, „zurück in die Normalität zu finden“, sagte Protzer.

Tatsächlich enden nach dem neuen Bundesinfektionsschutzgesetz und mit einer Übergangsfrist die meisten Corona-Einschränkungen automatisch am 2. April, insbesondere Corona-Zugangsregeln wie 2G und 3G. Bleiben noch Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken, im Nah- und Fernverkehr sowie Testpflichten in Pflegeheimen und Schulen – nicht aber Maskenpflichten in anderen Innenbereichen, etwa im Einzelhandel, in Freizeiteinrichtungen oder in Schulen .

Allerdings können die Bundesländer per Beschluss des Landtags wieder strengere Regeln einführen. Voraussetzung für die Anwendung der sogenannten Hotspot-Regel ist, dass eine „konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ besteht, etwa wenn „aufgrund einer besonders hohen Zahl von Neuinfektionen oder eines besonders starken Anstiegs von Neuinfektionen Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Kommune bedroht“.

Ob sich auch ein ganzes Bundesland zum Hotspot erklären kann, ist rechtlich umstritten. Aber genau das wäre die Voraussetzung, um die Maskenpflicht im Einzelhandel bayernweit aufrechterhalten zu können. „Die Hotspot-Bestimmungen sind viel zu vage und lassen die Umsetzung rechtssicherer Regelungen einfach nicht zu“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek der Deutschen Presse-Agentur – er forderte erneut Verbesserungen der bundesweiten gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Unabhängig davon fordern die Landtags-Grünen, dass der Landtag in der kommenden Woche die notwendigen Entscheidungen treffen muss, nämlich Bayern formell zum Hotspot zu erklären. So argumentierten Fraktionschefin Katharina Schulze und Landtagsvizepräsident Thomas Gehring in einem am Freitag veröffentlichten Brief an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU).

„Die Infektionszahlen und die Belastung der Kliniken in Bayern sind extrem hoch – wichtige Operationen werden verschoben, Krankenhausbetten gesperrt, regionale Kliniken stellen die Notversorgung ein“, heißt es in dem Schreiben der Grünen an Aigner. Es ist davon auszugehen, dass sich das noch verschlimmert, wenn die meisten Corona-Schutzmaßnahmen am 2. April tatsächlich auslaufen.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen lehnte den Antrag der Grünen ab: „Ihre Forderung, ganz Bayern zum Hotspot zu erklären, zeigt, dass sie entweder das Infektionsschutzgesetz nicht verstehen oder die bundesweite Corona-Lage falsch einschätzen. Das haben wir wie fast alle anderen europäischen Länder auch.“ um auch zur Normalität zurückzukehren.“

Das neue Bundesinfektionsschutzgesetz wurde mit der Mehrheit der Ampelparteien – SPD, Grüne und FDP – in Berlin verabschiedet. Auch die mit der CSU regierenden Freien Wähler lehnten den Antrag der Grünen umgehend ab: „Es ist wirklich ein Witz, dass die Grünen auf Landesebene jetzt versuchen, die Gesetzeslücken zu schließen, die die Grünen in der Bundesregierung hinterlassen haben“, hieß es der Parlamentsgeschäftsführer Fabian Mehring. „Dieses durchsichtige „Schwarzer-Peter-Spiel“ zu Lasten der Bundesländer kommt einer Bankrotterklärung der Corona-Politik der Bundesregierung gleich.“ Die bayerische Koalition ist keine Reparaturwerkstatt für das Berliner Ampelchaos.

© dpa-infocom, dpa:220325-99-663940/6