Berlin (dpa) – Früher oder später werden sie wohl jedem auffallen. Wenn Sie durch den Fernseher blättern, die Zeitung aufschlagen oder Radio hören. Mit einer jetzt startenden neuen Impfkampagne will die rot-grün-gelbe Bundesregierung der Bevölkerung neue Impulse geben, die Corona-Impfquote zu erhöhen.
Ihr Slogan: „Impfen hilft.“ Wird das Menschen überzeugen, die bisher nicht geimpft wurden?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) griff am Montag nach Plakaten und hielt sie in Kameras. Einer sagt: „Impfen hilft, auch für die, die es nicht mehr hören können.“ Scholz sagte: „Wir versuchen auch, in viele Zielgruppen vorzudringen, Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, die bisher durch die verschiedenen Informationsaktivitäten nicht erreicht wurden.“ Er wiederholt: „Impfen hilft.“
Sehen aus wie Tankstellengutscheine?
Der Plakathintergrund ist hellblau und hellgrün, mit der Schrift davor. Einfach gestaltet, ohne Bilder. Auf Twitter werden Kommentatoren schnell warm. Einige werden an das Aussehen von 50-Cent-Gutscheinen erinnert, die man beim Toilettengang an Tankstellen bekommt.
Ein anderer postet ein Foto von Scholz mit einem Impfplakat und stellt als Kontrast eine Impfaktion in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur aus dem vergangenen Sommer daneben – auf dem Bild umarmen sich zwei Menschen heiß und tief kurz vor einem Kuss. Maximal emotional versus extrem nüchtern, was wohl mehr Erfolg verspricht?
In Deutschland hatte es bereits 2021 eine Impfkampagne gegeben. Prominente wurden mit Pflastern auf den Oberarmen fotografiert. Mit dabei waren zum Beispiel der US-Star David Hasselhoff („Knight Rider“) und TV-Moderator Günther Jauch.
Die aktuelle Informationsoffensive wurde laut Bundesgesundheitsministerium von den beiden Agenturen Scholz & Friends und Cosmonaut & Kings entwickelt. „Neben Deutsch wird die Kampagne auch auf Arabisch, Englisch, Russisch und Türkisch ausgespielt“, teilte das Ministerium am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Die Kampagne beginnt diese Woche in den sozialen Medien und im Radio, gefolgt von Zeitungsanzeigen und Außenwerbung in der darauffolgenden Woche und wird Mitte Februar im Fernsehen übertragen. Das Budget bezifferte das Ministerium für die Monate Januar bis März auf 60 Millionen Euro.
Sozialpsychologe: Warum erst jetzt?
Aus Sicht des Konfliktforschers Ulrich Wagner von der Philipps-Universität Marburg kam die Idee zur zweiten Kampagne erst sehr spät: „Warum ist das nicht längst geschehen? Bund und Länder haben viel zu viel Zeit verstreichen lassen.“ Diese Unentschlossenheit und Tatenlosigkeit haben seiner Ansicht nach auch dazu beigetragen, dass sich derzeit Lager bilden, in denen Impfgegner mit ebenso überzeugten Impfgegnern unversöhnlich sind.
Als Experte für Sozialpsychologie zeigt sich Wagner wenig optimistisch: „In einer so polarisierten Situation ist es jetzt sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, über die tiefe Kluft zwischen den Gruppen hinweg zu kommunizieren.“ Gleichzeitig sagt er: „Trotzdem ist es vielleicht noch nicht zu spät und die neue Kampagne erreicht zumindest einige.“ Eine Kampagne wie „Impfen hilft“ kann sinnvoll sein, wenn sie auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet ist.
Aus Sicht des Ministeriums zeigt der Slogan kurz und prägnant, dass die Corona-Impfung unter Pandemiebedingungen in allen Lebensbereichen sinnvoll ist. Auf die Frage, wie man Zielgruppen erreichen wolle, die sich bisher nicht angesprochen fühlten, hieß es: „Die Kampagne wird nicht nur über Massenmedien gesteuert, sondern auch gezielt über den Zugang in Communities mit impfzurückhaltenden Menschen.“ Die Kampagne wurde auf Basis empirischer Daten und Empfehlungen von Wissenschaftlern entwickelt. Sie wird in den kommenden Wochen laufend aktualisiert.
Das Ministerium verweist auch auf Erfahrungen mit der Impfkampagne aus dem Vorjahr. Schrittweise sollten die priorisierten Gruppen und dann die breite Öffentlichkeit auf die Impfung aufmerksam gemacht und die Impfbereitschaft gesteigert werden – und das mit Erfolg, wie die Behörde rückblickend erklärt: „Die Kampagne „Deutschland krempelt #Ärmel hoch“ hat sich breit gemacht -reichen Beitrag und mit diversen Services zur transparenten Aufklärung.“
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