Journalist mit verrückter These über Putins Gesundheit

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Journalist mit verrückter These über Putins Gesundheit

Ex-Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies spekuliert, dass es dafür Sondermittel braucht.Bild: Screenshot ard

Dirk Krampitz

Eigentlich wollte Frank Plasberg über die steigenden Preise sprechen, doch dann machte ihm der russische Präsident einen Strich durch die Rechnung. Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, das die beiden abtrünnigen ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk als unabhängig anerkennt. „Wir haben die Show um 19:30 Uhr gekippt“, gibt Plasberg offen zu. Statt „Preisschock überall: Gerät die Inflation außer Kontrolle?“ hieß es um 21 Uhr ganz spontan: „Putin meint es ernst: Beginnt jetzt ein Krieg um die Ukraine?“ mit schnell aufgebautem und ungewöhnlich großem Panel.

  • Norbert Röttgen, CDU, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses
  • Udo Lielischkies, ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Moskau
  • Vassili Golod, WDR-Journalist mit Familie in Russland und der Ukraine
  • Sarah Pagung, Politikwissenschaftlerin, Russland-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
  • Christian Dürr, FDP, Fraktionsvorsitzender; Mitglied des Präsidiums
  • Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucherratgebers „Finanztip“
  • Markus Preiß, Leiter des ARD-Studios in Brüssel
  • Ina Ruck, Leiterin des ARD-Studios Moskau

Röttgen nennt die große Schwäche Russlands

Norbert Röttgen sieht das Problem in der Schwäche Russlands.

Norbert Röttgen sieht das Problem in der Schwäche Russlands. Bild: Screenshot ard

Es gibt derzeit kaum eine Talkshow zum Thema Ukraine, in der Norbert Röttgen (CDU) nicht präsent ist. Und auch für diese spontane Ausgabe holte Frank Plasberg den CDU-Politiker kurzerhand ins Studio. Das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses hält Putins Anerkennung der abtrünnigen Gebiete für einen „eklatanten Bruch des Völkerrechts“ und „eine Einladung zum Krieg“. Putin wird vom „Impuls der nationalen Wiedervereinigung“ getrieben.

Und diesmal habe sein Handeln auch „eine ganz andere Dimension“ als im Fall der ebenfalls völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Röttgen sieht Putins Tatendrang auch in innenpolitischen Problemen. „Russlands Kernproblem ist seine Schwäche.“ Die von Oligarchen abhängige Wirtschaft lässt sich so nicht modernisieren und der extrem dominante Bereich der fossilen Brennstoffe wird irgendwann obsolet. „Er befindet sich in einer Sackgasse und versucht, sich selbst zu retten, indem er immer tiefer und tiefer rennt.“

Röttgen ist sich sicher: Alle Treffen mit europäischen Spitzenpolitikern waren mehr oder weniger Zeitverschwendung.

„Putin will nicht verhandeln, Putin hat ganz klare Ziele. Er hat heute das Programm skizziert.“

Norbert Rottgen

Sie sollten es nicht von der westlichen Seite falsch interpretieren. Sanktionen müssten sofort kommen, „wenn sie Wirkung zeigen sollen“. Alles andere würde Putin nur als Schwäche interpretieren.

Fairerweise muss man sagen, dass beispielsweise Röttgen den Besuch von Olaf Scholz (SPD) bei Putin hoch gelobt hat. Wie wahrscheinlich alle anderen hat er jetzt eine steile Lernkurve hinter sich.

Journalist mit Theorie zu Putins Gesundheit

Udo Lielischkies, ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Moskau, vermutet als Grund nicht ein schwaches Russland, sondern eine Schwäche Putins selbst: „Er sieht nicht mehr ganz so aus wie vor ein paar Monaten.“ Vielleicht ist er krank, mutmaßt Lielischkies und verweist dann auf eine Spekulation der langjährigen US-Präsidentschaftsberaterin in Russlandfragen, Fiona Hill. Sie sagte in einem Interview, sie könne sich vorstellen, dass Putin Steroide als entzündungshemmende Medikamente einnehme. Auch beim russischen Präsidenten stellte der langjährige Putin-Beobachter Veränderungen fest. Steroide sind dafür bekannt, Aggressivität, Selbstüberschätzung und sogar psychotische Züge hervorzurufen. Lielischkies ist sich jedenfalls sicher: Die Tagespolitik langweilt Putin, er würde sich „großen Visionen“ widmen.

„Er ist ein Amateurhistoriker geworden.“

Udo Lielischkies

Und als solcher sieht er die Ukraine als einen enorm wichtigen Teil Russlands. Aus russischer Sicht gilt die herrschende Gruppe „Kiewaner Rus“ als Vorläufer des Moskauer Staates und des Russischen Imperiums, und das will Putin nun nach Hause holen. „Putin ist wie eine Python“, sagt Lielischkies: Er beginnt mehrmals zu würgen, lässt dann wieder los und drückt schließlich noch fester zu. „Wir befinden uns in der Anfangsphase eines neuen Kalten Krieges“, glaubt der TV-Journalist.

So klar ist es mit dem EU Allerdings noch niemand, sagt Markus Preiß, Leiter des ARD-Studios in Brüssel. In Brüssel herrscht „hektische Ratlosigkeit“. Auch mit möglichen Sanktionen tut man sich schwer und diskutiert derzeit, wie diese der EU möglichst wenig schaden.

Ina Ruck war live aus dem ARD-Studio in Moskau zugeschaltet.

Ina Ruck war live aus dem ARD-Studio in Moskau zugeschaltet.Bild: Screenshot ard

Ina Ruck, Leiterin der ARD-Studios in Moskau, findet, dass Putin „sehr unrealistisch auf die Ukraine blicke“ und wahrscheinlich „schon sehr lange nicht mehr dort war“. „Von den Brüdern ist nicht mehr viel übrig. Er weiß nicht, was sie von ihm halten.“ Ihre Vermutung: „Er hatte in den Corona-Jahren viel Zeit, historische Bücher zu lesen, und er hat sich viel mit seinem eigenen Weltbild auseinandergesetzt.“ Tatsächlich findet sie es nicht ganz abwegig, dass er von einer Wiedergeburt eines sowjetischen Imperiums träumt. „Ich fürchte, es könnte ganz, ganz schlimm werden. Die Zeichen stehen derzeit nicht auf Frieden.“

Und selbst wenn sie es irgendwann wieder tun sollten, ist sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr sicher. „Wir müssen unabhängiger von Russland werden.“ Seine Ideen: Amerikanisches Flüssiggas und synthetische Kraftstoffe für Deutschland, für Europa.

Eigentlich war Dürr zum Thema Preiserhöhungen eingeladen, ebenso Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucherführers „Finanztip“.. Wo er auch ist, kann er auch kurz etwas sagen: Er befürchtet massive Gaspreissteigerungen und fordert staatliche Unterstützung für alle Bundesbürger, nicht nur für die in akuter Not.

Die Heizkosten lassen Vassili Goldod kalt. Der WDR-Journalist mit Familie in Russland und der Ukraine war vergangene Woche zum Ukraine-Thema zu Gast bei Plasberg. „Heute ist ein Angriff auf die Demokratie“, sagt Golod. Und er scheint viel betroffener zu sein als noch vor einer Woche.

Russland-Experte hat „Angst vor heißem Krieg“

Sarah Pagung sieht "großen Machtanspruch" bei Putin.

Sarah Pagung sieht Putins „Großmachtanspruch“.Bild: Screenshot ard

Russland-Expertin Sarah Pagung kann die Stimmung nur ein wenig beruhigen. Sie attestiert Putin „den großen Machtanspruch, über andere Länder herrschen zu können“. Und obwohl sie im Kreis diejenige ist, die am genauesten abwägt und vorschnelle Schlüsse vermeidet, gesteht sie auf Plasbergs Schlussfrage: „Ich habe Angst vor einem heißen Krieg.“

Das scheint selbst den erfahrenen Moderator etwas aus der Bahn zu werfen. Er verabschiedet sich mit der rätselhaften Ansage: „Alles Gute, bis nächste oder übernächste Woche.“