Journalisten kritisieren Telegram-Blockade | Wissen

Startseite » Journalisten kritisieren Telegram-Blockade | Wissen
Journalisten kritisieren Telegram-Blockade |  Wissen

Innenminister Faeser will sich nicht damit auseinandersetzen, dass der Messenger-Dienst Telegram Löschanfragen aus Deutschland ignoriert. Doch die von ihr geplanten Maßnahmen rufen Kritiker auf den Plan.

Berlin – Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagenen Sanktionen gegen den Messenger-Dienst Telegram stoßen bei Medienvertretern und Bürgerrechtlern auf Kritik.

Der Moskau-Korrespondent der ARD, Demian von Osten, wies am Donnerstag auf Twitter darauf hin, dass sein Team ohne Telegramm wegen der Kontrolle durch den Geheimdienst überhaupt nicht mit Oppositionellen in Weißrussland kommunizieren könne.

Korrespondentin Natalie Amiri schrieb auf Twitter: „In Demokratien schwächen Botendienste wie #Telegram das System, in totalitären Regimen sind sie oft die einzige Möglichkeit für die Zivilbevölkerung, einigermaßen frei zu kommunizieren.“

Faeser hatte angekündigt, er werde Apple und Google auffordern, die App wegen Aufrufen zu Gewalt und Hassreden auf Telegram aus ihren Angeboten zu verbannen. Sie wolle die beiden Unternehmen an ihre „soziale Verantwortung“ erinnern, sagte die Ministerin. Zuvor hatte sie in einem Interview damit gedroht, Telegram „abzuschalten“, ohne auf technische oder rechtliche Details einzugehen.

Meinungsfreiheit behindert?

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erklärte am Donnerstag, ein Telegram-Verbot in den App-Stores würde die Meinungsfreiheit einschränken. Ein solcher Schritt wäre auch unverhältnismäßig, sagte Joschka Selinger, Prozesskoordinator im GFF-Rechtsteam. Eine Blockade ist keine Lösung, zumal Nutzer eines Android-Smartphones die App direkt bei Telegram herunterladen können. „Auch der Kollateralschaden ist viel zu groß, weil vollkommen legitime Aktivitäten behindert werden.“

Der GFF-Anwalt wies darauf hin, dass Druck auf Apple und Google offenbar die einzige Möglichkeit sei, Telegram zur Kooperation zu bewegen. Es ist ein großes Problem, den großen Konzernen die Entscheidung zu überlassen, welche App angeboten werden darf und welche nicht. „Gleichzeitig schöpfen die Sicherheitsbehörden nicht alle Mittel aus, um gegen Hassreden und Drohungen vorzugehen.“

Sicherheitsbehörden sind gefragt

Henning Tillmann, Sprecher des Digitalverbands D64, erklärte, dass zwischen der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität einerseits und der Untätigkeit von Telegram andererseits unterschieden werden müsse. Er forderte die Sicherheitsbehörden auf, mehr Personal für die Durchsuchung des Netzes einzusetzen. In den Kanälen, denen jeder beitreten kann, wird Hass manchmal offen mit echten Namen gezeigt. Davon getrennt müsse das Problem des Telegram-Unternehmens gesehen werden, „das sich nicht um EU- oder deutsches Recht kümmert, nicht antwortet, nicht zahlt, nicht moderiert“.

Tillmann schrieb, Telegram sei kein Start-up mehr, habe mehr als 500 Millionen Nutzer und müsse Verantwortung übernehmen. „Ist Geoblocking eine Lösung? NEIN! Sowohl technisch als auch rechtlich kaum möglich.“ Als „vielleicht als letztes Mittel“ sei dagegen eine Entfernung aus dem App-Store denkbar. Der D64-Sprecher verwies auf die kommerziellen Ambitionen von Telegram. Das Unternehmen plant, noch in diesem Jahr Werbung zu starten. Ein App-Store-Verbot ist eine „ultima ratio“. Zuvor sollen die deutschen Behörden in Dubai, wo Telegram seinen Sitz hat, kooperieren.

Apple lehnte eine Stellungnahme ab. Eine Google-Sprecherin erklärte, dass Google einzelne Apps grundsätzlich nicht kommentiere. „Wenn wir jedoch über eine App benachrichtigt werden, die möglicherweise gegen unsere Google Play-Richtlinien verstößt, oder wir einen behördlichen Deaktivierungsantrag erhalten, prüfen wir sie und ergreifen geeignete Maßnahmen, einschließlich der Sperrung der App.“ im Austausch. dpa