Menschliches Genom: Was bleibt: Bauplan des Menschen vollständig entschlüsselt

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Menschliches Genom: Was bleibt: Bauplan des Menschen vollständig entschlüsselt

Kinotaugliche Wissenschaft: Die Kartierung menschlicher DNA war zunächst ein Rennen um Ruhm und Ehre unter Forschern. Am Start: der vom US-Staat geförderte Humangenomprojekt (HPG) und Celera Genomics, ein privates Unternehmen, das vom Genetiker Craig Venter gegründet wurde (2011 von Quest Diagnostics Products übernommen).

Vom Forschungsverbund zum internationalen Genomprojekt

Die Gründung der Human Genome Organization (HUGO) im Jahr 1988 – ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Forschungsinstituten mit der Aufgabe, die Identifizierung aller Gene zu koordinieren – brachte den Stein ins Rollen. Das eigentliche Human Genome Project nahm im September 1990 als öffentliches, überwiegend amerikanisches Großforschungsprojekt seine Arbeit auf. Schnell wurde daraus ein loses Netzwerk von Arbeitsgruppen aus mehr als 30 Ländern. Rund 60 Prozent wurden von verschiedenen Zentren in den USA übernommen. Britische Wissenschaftler machten ein Viertel der Aufgabe aus. Die restlichen Sequenzen wurden hauptsächlich von Genomforschern aus Frankreich, Japan, China und Deutschland durchgeführt. Bis 2005 sollen die Arbeiten laut Plan abgeschlossen sein. Die Gesamtkosten: rund 3 Milliarden Dollar.

Das menschliche Genom entschlüsseln – eine Mammutaufgabe

Das menschliche Genom besteht nur aus vier verschiedenen Grundbausteinen, den Nukleobasen: Cytosin (C), Guanin (G), Adenin (A) und Thymin (T). Aber der DNA-Faden der 23 menschlichen Chromosomen umfasst etwa 3,2 Milliarden Genbuchstaben. Sie bilden sozusagen die Software des Lebens. Als die „Arbeitsversion“ des menschlichen Genoms im Juni 2000 angekündigt und im Februar 2001 veröffentlicht wurde, wurde deutlich, dass der „Text“ der menschlichen DNA unvorstellbar lang war. Ausgeschrieben würde es etwa 3.000 Bücher füllen, jedes Buch 1.000 Seiten mit je 1.000 Buchstaben.

Rennen, um Gene zu entschlüsseln

Die Laborantin Zubeda Nuri arbeitet im DNA-Analyselabor der privaten US-Firma Celera Genomics des Genforschers Craig Venter in Rockville (US-Bundesstaat Maryland) an der Entschlüsselung des menschlichen Genoms.  |  Bild: picture-alliance / dpa |  epa afp Tama

Im Labor von Craig Venter analysierten riesige Rechenkapazitäten DNA-Fragmente, um den menschlichen Gencode zu knacken.

Die gemeinsamen Bemühungen der Wissenschaftler hielten jedoch nicht lange an. Der US-Wissenschaftler Craig Venter, der zunächst an dem Forschungsprojekt mitarbeitete, kündigte 1998 an, mit seiner Firma Celera Genomics das Genom im Alleingang zu entschlüsseln. Er verwendete eine viel schnellere, aber nach Ansicht vieler Wissenschaftler weniger genaue und unvollständige Technik, die als „Schrotflinten“ -Methode bezeichnet wird. Dabei setzte der Wissenschaftler auf die Rechenleistung seines Computers: Nicht mit Enzymen, sondern mit Ultraschall zerlegte er die DNA in Schnipsel, die dann mit immenser Rechenleistung analysiert und wieder zusammengesetzt wurden.

Ein Wettlauf begann: Wer sequenziert wie schnell wie viele Genabschnitte? Celera hatte den Vorteil, Zugriff auf die Daten der Konkurrenz zu haben. Umgekehrt teilte Craig Venter seine Erkenntnisse nicht mit. Am Ende arbeiteten beide Seiten aber wieder einigermaßen zusammen. Im Juni 2000 präsentierten Celera Genomics und das Human Genome Project gemeinsam eine Rohversion des Genoms.

Sequenzierung der Gene mit Happy End

Aber jetzt wirklich: Der lange Weg zur Sprache des Lebens

Seit 2003 ist das menschliche Genom vollständig entschlüsselt. Aber auch diese Version war nicht perfekt. Etwa acht Prozent der genetischen Information fehlten. Es gab einfach noch keine geeigneten Technologien, um die fehlenden Abschnitte des Genoms auszulesen. Die Hauptschwierigkeiten bereiteten DNA-Sequenzen, in denen sich die Grundbausteine ​​häufig wiederholen, sogenannte repetitive Sequenzen. Der Durchbruch kam zwei Jahrzehnte später, im März 2022. Mehr als 100 internationale Forscher berichteten im Fachblatt „Science“, dass die Bestellung der mehr als drei Milliarden DNA-Bausteine ​​nun abgeschlossen ist.

Möglich wurde dies durch verbesserte Sequenziermaschinen, die es erlauben, längere Abschnitte des Genoms auf einmal zu bestimmen. Die aktuelle Sequenzierung analysierte jedoch der Einfachheit halber nur das X-Chromosom der väterlichen DNA in bestimmten menschlichen Tumorzellen. Diese neue Sequenz enthält 200 Millionen bisher unbekannte Nukleobasen.

Erbkrankheiten besser verstehen

Vergleicht man nun Unterschiede zwischen Abschnitten einzelner menschlicher Genome, wird der Schlüssel zu (Erb-)Krankheiten verständlich. Forscher haben nun die für einige Erbkrankheiten verantwortlichen Gene identifiziert, was zu gezielten Therapien führen kann. Genetische Tests können nun auch eine Prädisposition für Alzheimer und Diabetes aufzeigen.

Im Juni 2000 gelang US-Präsident Bill Clinton (Mitte) der Durchbruch bei der systematischen Entschlüsselung des menschlichen Genoms.  |  Bild: picture-alliance / dpa |  epa afp naltchayan

US-Präsident Bill Clinton (Mitte) im Jahr 2000 mit HGP-Direktor Francis Collins (rechts) und Celera Genomics-Präsident Craig Venter (links).

Allerdings lässt sich die Komplexität des menschlichen Organismus noch nicht anhand seines Genoms erklären. Hier spielen zu viele Faktoren wie die Genregulation und der Informationsaustausch zwischen Genen eine Rolle. Der Text des menschlichen Genoms ist jetzt bekannt, und dies gab vielen Hoffnung, als das Genom zum ersten Mal angekündigt wurde. „Jetzt lernen wir die Sprache, mit der Gott das Leben erschaffen hat“, sagte US-Präsident Bill Clinton im Jahr 2000. Aber es wird noch lange dauern, bis wir die „Sprache des Lebens“ wirklich verstehen. Denn die ebenfalls im Jahr 2022 gefundene Genomsequenz wird nicht die letzte sein.

Forscher untersuchen derzeit ein Genom, das sich aus mütterlicher und väterlicher DNA zusammensetzt. Die Humangenomprojekt (HPG) plant unterdessen, die DNA von 350 Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt zu analysieren, um ihre Vielfalt besser zu erfassen.