Polen: Restriktives Abtreibungsgesetz darf nicht mehr Opfer fordern | Aktuell

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Polen: Restriktives Abtreibungsgesetz darf nicht mehr Opfer fordern |  Aktuell

Im vergangenen September starb eine 30-jährige schwangere Polin an einem septischen Schock, weil ihre Ärzte aufgrund von Einschränkungen für legale Abtreibungen in Polen keine lebensrettende Abtreibung durchführten und stattdessen warteten, bis der Fötus starb. In einer am Donnerstag mit 373 zu 124 Stimmen bei 55 Enthaltungen angenommenen Entschließung forderten die Abgeordneten die polnische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass in Polen keine Frauen mehr wegen dieses restriktiven Gesetzes sterben.

Der Zugang zu sicheren, legalen und kostenlosen Abtreibungsdiensten muss gewährleistet sein

Die Abgeordneten verurteilen erneut das rechtswidrige Urteil des Verfassungsgerichts vom 22. Oktober 2020, das ein nahezu vollständiges Verbot der Abtreibung verhängt und die Gesundheit und das Leben von Frauen gefährdet hat. Sie fordern die polnische Regierung auf, allen Frauen einen zeitnahen und umfassenden Zugang zu sicheren, legalen und kostenlosen Abtreibungsdiensten zu gewährleisten.

Die Abgeordneten bedauern die Tatsache, dass diese restriktive Gesetzgebung Frauen dazu zwingt, unsichere Abtreibungen vorzunehmen, ins Ausland zu reisen oder ihre Schwangerschaft gegen ihren Willen auszutragen, selbst bei schweren fetalen Schäden. Das Parlament fordert die Mitgliedstaaten daher auf, effektiver zusammenzuarbeiten, um den Zugang zu Abtreibungen im Ausland zu erleichtern, beispielsweise indem polnischen Frauen im Rahmen der nationalen Gesundheitssysteme der Zugang zu kostenlosen und sicheren Abtreibungen ermöglicht wird.

Lage in Polen verschlechtert sich weiter

Die Abgeordneten verurteilen das zunehmend feindselige und gewalttätige Umfeld, dem Menschenrechtsverteidigerinnen in Polen ausgesetzt sind, und fordern die polnischen Behörden auf, ihr Recht zu garantieren, sich ohne Angst vor Repressalien oder Drohungen öffentlich zu äußern. Sie verurteilen auch den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten durch die Strafverfolgungsbehörden und fordern die polnischen Behörden auf, sicherzustellen, dass die Täter dieser Angriffe zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Abgeordneten betonen, dass das Abtreibungsurteil ein weiteres Beispiel für den politischen Eingriff in die Justiz und den Zusammenbruch des Rechtsstaatssystems in Polen ist, und fordern den Rat auf, dieses Problem und andere mutmaßliche Verletzungen der Grundrechte in Polen bis zum Anhörungen zur Lage in Polen nach Art. 7 Abs. 1 EUV ausgeweitet.

Hintergrund

Am 22. Oktober 2020 entschied das polnische Verfassungsgericht, dass die Bestimmungen des Gesetzes von 1993 über die Bedingungen des Schwangerschaftsabbruchs verfassungswidrig sind. Dieses Gesetz erlaubte Abtreibungen in Fällen, in denen pränatale Tests oder andere medizinische Erwägungen eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden und irreversiblen fetalen Defekts oder einer unheilbaren Krankheit anzeigten, die das Leben des Fötus bedrohte. Dies bedeutete de facto ein Abtreibungsverbot, da die überwiegende Mehrheit der legalen Abtreibungen in Polen auf diese Gründe zurückzuführen war.

In den letzten 10 Monaten beantragten nur 300 Frauen eine Abtreibung in polnischen Krankenhäusern wegen Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit.

In den letzten 12 Monaten haben Gruppen von Abortion Without Borders 34.000 Menschen aus Polen beim Zugang zur Abtreibung geholfen. Diese Zahlen sind nur ein Bruchteil der Gesamtzahl der polnischen Frauen, die Unterstützung beim Zugang zur abtreibungsbezogenen Versorgung benötigen.