Rörig: Bei Missbrauch in der Kirche ist der Staat in der Pflicht

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Rörig: Bei Missbrauch in der Kirche ist der Staat in der Pflicht

Stärkere Übernahme staatlicher Verantwortung gefordert


„Der Staat muss jetzt beweisen, dass er die eigenständige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ernst nimmt“, fordert der scheidende Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Er beschäftigt sich auch mit der katholischen Kirche.





Berlin – 16.02.2022


Der scheidende Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, fordert mehr Verantwortung des Staates im Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier ist „der Staat“ „unbeschränkt zuständig“ für die Verfolgung von noch nicht verjährten Sexualdelikten im kirchlichen Kontext. Das gilt für die katholische Kirche, aber auch für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche wie Sport, Schule und Familie.

Konkret plädiert Rörig für eine gesetzliche Grundlage für die unabhängige Prüfkommission. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP bereits darauf verständigt, dass das Amt des Missbrauchsbeauftragten gesetzlich verankert werden soll. „Der Staat muss jetzt beweisen, dass er die unabhängige Aufklärung sexueller Gewalt ernst nimmt und alles dafür tut, dass sie unterstützt, kritisch begleitet und kontrolliert wird“, sagt Rörig.

Politisches Beratungsgremium auf Bundesebene

Die Kommission könnte auf diese Weise institutionelle Ermittlungsverfahren einleiten und beratend begleiten, hätte aber auch besondere gesetzliche Befugnisse zur Akteneinsicht und Zeugenladung. Im Moment kann sie den Betroffenen nur zuhören und aus ihren Schilderungen Schlüsse ziehen und Studien in Auftrag geben. Auch auf Bundesebene befürwortet Rörig ein partei- und ressortübergreifendes politisches Begleitgremium. Die gestärkte Prüfkommission soll diesem Gremium Bericht erstatten und konkrete Empfehlungen aussprechen.

In seinem Positionspapier heißt es weiter, die katholische Kirche habe sich seit 2010 verbindlich und seit 2020 normativ im Rahmen eines kanonischen Rechts verpflichtet, jeden Missbrauch anzuzeigen. Es ist Aufgabe der Länder, dafür zu sorgen, dass die Ermittlungsbehörden jedem Verdacht und jeder Meldung in „angemessener Weise“ nachgehen können.

Link-Tipp: Missbrauchsbeauftragter Rörig will sein Amt vorzeitig niederlegen

Johannes-Wilhelm Rörig hat im Sommer als erste Institution einen Bearbeitungsvertrag mit der Deutschen Bischofskonferenz geschlossen. Dennoch kündigte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung nun an, früher als geplant zurückzutreten.

Der Missbrauchsbeauftragte plädierte für schnelles Handeln. Bundestag und Bundesregierung sollen im ersten Halbjahr einen Gesetzentwurf erarbeiten. Spätestens im nächsten Jahr soll auch die Überprüfungskommission gesetzlich verankert werden. Sie ist derzeit bis Ende 2023 befristet. Rörig selbst hatte im vergangenen Jahr angekündigt, aus dieser Legislaturperiode ausscheiden zu wollen. Zuletzt wurde Ende Februar genannt. Ein Nachfolger für ihn steht jedoch noch nicht fest.

Die unabhängige Prüfkommission begrüßte das Papier. Sie unterstütze „ausdrücklich“ das Anliegen, dass der Fokus nicht ausschließlich auf der katholischen Kirche liegen solle, sondern auch andere gesellschaftliche Bereiche wie Sport, Schule und Familie einbezogen werden sollten. Eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Kommission ist unabdingbar, damit die Kommission bundesweite institutionelle Bearbeitungsprozesse initiieren, anstoßen, begleiten, beraten und die Einhaltung bestimmter Standards überwachen kann.

Ackermann: Papier bringt hilfreiche Aufklärung

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, betonte, er sei dankbar für die Veröffentlichung des Papiers. Er biete eine sehr hilfreiche Klarstellung „in der hitzigen Diskussion“ nach der Veröffentlichung des Berichts im Erzbistum München und Freising. Er begrüßt ausdrücklich, dass die Kommission weitergehende Befugnisse erhält als bisher, um zu einer zentralen staatlichen Kontroll- und Überwachungsinstanz für die Verarbeitung zu werden.

Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz erklärte, um künftig sexuellen Missbrauch zu verhindern, müsse das Problem gesamtgesellschaftlich bekämpft werden. Rörigs aktuelles Papier gebe erneut „wichtige Impulse, mit denen wir uns intensiv auseinandersetzen werden“. Die Kirchen müssen die notwendigen und längst überfälligen Schritte unternehmen. (KNA)