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VonPamela Dörhofer
daraus schließen
Die Kälteagglutinin-Krankheit ist sehr selten. Ein neuer Antikörper bietet die Chance einer gezielten Therapie.
Frankfurt – Kälteagglutinin-Krankheit? Wahrscheinlich haben die wenigsten davon schon einmal gehört. Denn schätzungsweise ist nur einer von 35.000 bis 80.000 betroffen, Frauen häufiger als Männer. Die Kälteagglutinin-Krankheit gehört daher zu den seltenen Erkrankungen.
Im Gegensatz zu vielen dieser Erkrankungen tritt es oft erst auf, wenn die Menschen in ihren 60ern sind, und nicht, wenn sie jung sind. Die Kälteagglutinin-Krankheit kann akut oder chronisch verlaufen, sie kann „idiopathisch“ sein, also ohne Einfluss einer anderen Krankheit auftreten, sie kann aber auch Folge einer Krankheit sein.
Seltene Erkrankung: Virusinfektionen als Auslöser
Auslöser können einige Autoimmunerkrankungen, Virusinfektionen wie Röteln oder Drüsenfieber und Lungenentzündungen durch eine Infektion mit Bakterien sein. In solchen Fällen ist die Kälteagglutinin-Krankheit normalerweise akut und es besteht die Möglichkeit, dass sie nach einigen Wochen von selbst ausheilt. Anders verhält es sich, wenn sich die Krankheit durch Lymphknoten entwickelt (Lymphdrüsenkrebs), dann ist sie chronisch.
Die Kälteagglutinin-Krankheit selbst wird als Autoimmunerkrankung angesehen; Antikörper des Immunsystems greifen Erythrozyten – rote Blutkörperchen – an und zerstören sie in einem Prozess, der als Hämolyse bekannt ist. Die Zerstörung der Erythrozyten kann zu einer schweren Blutarmut (Blutarmut) führen. Dieser Prozess führt auch dazu, dass rote Blutkörperchen zusammenklumpen (agglutinieren), was das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls erhöht.
Der Zusatz „Kälte“ im Krankheitsnamen weist auf die Eigenschaft der verantwortlichen Antikörper hin, bevorzugt bei niedrigen Temperaturen aktiv zu werden. Kühlere Jahreszeiten oder Umgebungen können daher die Symptome auslösen oder verstärken.
Kälteagglutinin-Krankheit: Dies sind Symptome der seltenen Krankheit
Menschen, die an der Kälteagglutinin-Krankheit leiden, sind oft dauerhaft blass, haben bläuliche Finger, Zehen und Lippen, fühlen sich ständig schwach und müde; typische Anzeichen einer Anämie. Weitere Symptome können Kopfschmerzen, Herzrasen und Schwindel, Atemnot oder Kreislaufprobleme bei Kälte sein.
Da diese Symptome auch bei anderen, weiter verbreiteten Erkrankungen auftreten können, wird die eigentliche Ursache oft nicht sofort erkannt – obwohl ein Bluttest eine Blutarmut durch die Zerstörung von Erythrozyten, Autoantikörpern und im Serum zirkulierenden Kälteagglutininen nachweisen kann. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Diagnose nach einem Standard-Blutbild gestellt wird, wenn eine abnormale Verklumpung der Erythrozyten festgestellt wird.
Seltene Autoimmunerkrankung: Blutkörperchen werden massiv zerstört
Während einer akuten „Krise“, bei der Blutkörperchen massiv zerstört werden, können auch Rücken- und Beinschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Leber- und Milzschwellungen sowie dunkler Urin durch den Farbstoff in den abgebauten Blutkörperchen auftreten. Eine Studie aus dem Jahr 2019, die auf Daten des dänischen Gesundheitsregisters basiert, zeigte eine begrenzte Lebenserwartung – eine Beobachtung, die noch durch weitere wissenschaftliche Arbeiten bestätigt werden muss
Wie bei vielen seltenen Krankheiten ist die Behandlung schwierig, da es kaum Medikamente gibt. Wenn nur wenige Menschen darunter leiden, lohnt sich die zeit- und kostenintensive Recherche für die Pharmaunternehmen nicht. Bisher gibt es keine zugelassene Therapie für die Kälte-Agglutinin-Krankheit. Kortison wird unter anderem gegen den Autoimmunprozess eingesetzt. Bluttransfusionen könnten zu einer vorübergehenden Besserung führen, sagt der Hämatologe Alexander Röth, Leiter der Abteilung Nichtmaligne Hämatologie und Gerinnung an der Universitätsmedizin Essen.
Seltene Erkrankung: Positive Studienergebnisse zu Kälteagglutinin
Doch die unbefriedigende Situation könnte sich bald ändern: In einer kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie zeigte der monoklonale Antikörper Sutimlimab eine gute Wirkung. Bei Patienten mit Blutarmut – das trifft auf die Mehrzahl zu – führt das Medikament sehr schnell „zu einer Besserung und oft sogar zu einer Normalisierung des Hämoglobinwertes“, sagt Alexander Röth, der an der Studie beteiligt war. (Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff.) Bei Durchblutungsstörungen, unter denen viele Betroffene leiden, bringt die Therapie keine „direkte Besserung“.
Sutimlimab wirkt, indem es auf das Komplementsystem abzielt, das Teil des Immunsystems ist, erklärt Röth. „Bei der Kälteagglutinin-Krankheit binden Autoantikörper an die roten Blutkörperchen. Diese werden mit dem Komplement markiert und anschließend von Leber und Milz oder auch direkt zerstört.“ Sutimlimab blockiert das frühe Komplement unmittelbar nach der Verabreichung und verhindert so die Markierung und anschließende Zerstörung der roten Blutkörperchen.
Mit dem schnellen Wirkungseintritt innerhalb von nur etwa einer Woche hätte Sutimlimab einen klaren Vorteil gegenüber Rituximab, einem Antikörper, der bisher off-label bei der Kälte-Agglutinin-Krankheit eingesetzt wird, teilweise in Kombination mit einer Chemotherapie. Hier komme es „nur sehr langsam über Wochen und Monate“ zu einer oft nur partiellen und nicht dauerhaften Reaktion, sagt Röth. Auch diese Therapie ist nicht zugelassen und muss von den Krankenkassen genehmigt werden. (Pamela Dörhöfer)