Tears For Fears wollen es noch einmal wissen

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Tears For Fears wollen es noch einmal wissen

Es gibt kaum eine interessantere 80er-Band als Tears For Fears. Zwischen 1983 und 1989 haben die Briten Roland Orzabal und Curt Smith drei Alben von Synthie-Pop und Hymnen-Rock bis hin zu Soul und ausgefeilten Beatles-Anleihen gecovert.

Ihre Hitsingles „Mad World“, „Shout“ und „Everybody Wants To Rule The World“ definierten einen Sound, der ein Pop-Jahrzehnt prägte. Tears For Fears hat tatsächlich eine Zeit lang die Welt regiert, aber dann ist fast nichts passiert.

Umso überraschender ist der entspannte und selbstbewusste Auftritt mit dem Comeback-Album „The Tipping Point“. Tatsächlich hatten sich Millionen Fans längst damit abgefunden, dass mit „Everybody Loves A Happy End“ (2004) eine von frühem Weltruhm und sanftem Abstieg geprägte Karriere zu Ende ging. Nur dass diese Platte vor fast 18 Jahren kein Happy End hatte.

Legendäre Streitereien

„Wir haben neue Musik gemacht, aber die Leute haben die alte gekauft“, erinnert sich Roland Orzabal im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. „Weil wir sie an unsere Blütezeit erinnert haben. Ok gut, kein Problem. Wir nehmen. Es ist ein Luxusproblem.“ Doch irgendwann reichte es Orzabal/Smith nicht mehr, ihre legendären Querelen zu pflegen und mit den Hits einer großen Vergangenheit über die Runden zu kommen.

„The Tipping Point“ erzählt nichts ganz Neues über Tears For Fears, die rund 30 Millionen Alben verkauft haben sollen. Doch in zehn (Deluxe Edition: 13) Songs schafft die Band den Spagat zwischen fluffigen 80er-Sounds und der ausgereiften Songwriting-Kunst zweier mittlerweile 60-jähriger Musiker.

Der Nostalgiefaktor ist da

„No Small Thing“ beginnt sanft mit einer Akustikgitarre und steigert sich zu jenem stylischen Bombast, der bei Tears For Fears so beliebt ist. Auch der Titeltrack erfüllt den Wunsch vieler Fans nach einer sofort erkennbaren Klangwelt mit treibenden Drums und opulenten Harmonien. „Long, Long, Long Road“ und „Rivers Of Mercy“ hätten auf dem Soul-Blues-Meisterwerk „The Seeds Of Love“ (1989) – für viele die kreative Krönung dieser Band – keine schlechte Figur gemacht. Und so geht es zu Ende mit Songs, die nicht unbedingt Pop des 21. Jahrhunderts sein wollen – aber von zeitloser Größe sind.

Auch wenn der Nostalgiefaktor nicht zu unterschätzen ist, wird es also nie peinlich sentimental (ziemlich berührend, etwa in der wunderschönen Ballade „Please Be Happy“, verziert mit einer Trompete). Und die hochemotionalen Stimmen der Ausnahmesänger Orzabal und Smith zerstreuen jeden Verdacht, dass Tears For Fears das Retro-Ticket kassieren wollen.

Der Weg zum Spätwerk war ein steiniger – Management und Plattenfirma stellten die Musiker im Vorfeld von „The Tipping Point“ in die Schranken, wie beide im dpa-Interview berichten. Es gab eine Art trotzige Reaktion: „Der Gedanke war, dass es vielleicht besser wäre, wenn wir das Album selbst fertigstellen würden – anstatt anderen Leuten zuzuhören, die uns sagen, wie das Album sein sollte“, sagt Curt Smith. „Also haben wir No Small Thing geschrieben, den Opener. Und dann kam irgendwie alles ins Rollen.“

Denn, wie Smith jetzt in einem Interview offen zugibt: „Das war vorher das Problem mit dem Album: Wir hatten keine Geschichte. Es war nur eine lose Sammlung verschiedener Songs, die erfolgreich sein mussten.“ Orzabal stimmt zu: „Es waren zehn Versuche, eine zeitgemäße Hitsingle zu haben.“

Hinzu kamen die nie ganz unkomplizierten internen Beziehungen des Duos, das in unterschiedlichen Regionen der Welt lebt. „Wir sind zwei mürrische Idioten, die machen, was wir wollen. Auch deshalb dauert alles so lange“, erklärt Orzabal nur halb im Scherz.

Sie haben sich als Live-Band neu erfunden

Schließlich dämpften die beiden Ex-Superstars ihre Erwartungen: „Ich denke, man muss sich in der Musik ein bisschen vom Wind tragen lassen“, sagt Orzabal. „Manchmal arbeitet der Markt für dich und manchmal nicht. Und bei uns hat es nicht einmal bei „Jeder liebt ein Happy End“ funktioniert. Wir waren nicht relevant, wir waren nicht wichtig.“

So haben sich Tears For Fears als Live-Band neu erfunden und die Freude am gemeinsamen Musizieren zurückgewonnen. Orzabal: „Wenn du live spielst, ist das eine direkte Erfahrung. Es gibt keine Politik, nur das Publikum und die Künstler. Und von da an wuchs und wuchs es.“

Letztlich sind die Briten sehr zufrieden mit „The Tipping Point“, ihrem Neuanfang, der oft an frühere Geniestreiche erinnert. Denn der Sound ist ihr eigener, unverwechselbarer: „So sind wir erfolgreich geworden, wir klingen einfach wie wir“, sagt Smith. Sein Bandpartner fügt hinzu: „Wir sind uns näher gekommen und kommen uns immer näher. Und das ist ein sehr schönes Gefühl.“ Tears For Fears seien „am besten, wenn wir etwas wagen“, betont Orzabal am Ende: „Wir haben die Fesseln gesprengt und ein tolles Album gemacht.“ Kein Widerspruch.