Ukraine-Krieg: Wie kommerzielle Satellitenunternehmen teilnehmen

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Ukraine-Krieg: Wie kommerzielle Satellitenunternehmen teilnehmen
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Private Satellitenfirmen liefern gestochen scharfe Bilder aus der Ukraine. Was früher nur Geheimdiensten möglich war, steht heute im Internet zur Verfügung.

Frankfurt – Die Bilder sind gestochen scharf und könnten strategisch wichtige Informationen im Ukraine-Krieg enthalten: Satellitenbilder der Ukraine. Da sind zum Beispiel Bilder, die den kilometerlangen Konvoi russischer Militärfahrzeuge vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew zeigen, andere Bilder zeigen das Atomkraftwerk Tschernobyl oder zerstörte Brücken, Flughafengebäude oder Flugzeuge. Diese Bilder wurden weder von Satelliten staatlicher Stellen wie der CIA fotografiert, noch unterliegen sie der Geheimhaltung, wie man angesichts ihrer strategischen Bedeutung annehmen könnte.

Hinter Satellitenbilder aus dem Ukraine-Konflikt sind private Satellitenunternehmen wie Planet Labs. Nach eigenen Angaben hat das US-Unternehmen mehr als 200 Satelliten im Orbit, die auf die Erde herabblicken und unseren Planeten fotografieren. Die Bilder sind teilweise im Internet verfügbar und werden den Medien zur Verfügung gestellt – und sie sind offenbar so wertvoll, dass der ukrainische Vizepräsident Mykhailo Fedorov mehrere Satellitenunternehmen betreibt fragte öffentlich auf Twitter danachihre Satellitenbilder mit dem ukrainischen Militär zu teilen. Fedorov hatte zuvor SpaceX-Gründer Elon Musk via Twitter um Zugang zum Internet „Starlink“ aus dem All gebeten.

Krieg in der Ukraine: Private Satellitenfirmen steuern Aufnahmen bei

„Wir brauchen dringend die Möglichkeit, die Bewegungen russischer Truppen zu beobachten, insbesondere nachts“, schrieb Fedorov in einem offenen Brief an die Satellitenunternehmen und fügte hinzu: „Dies ist der erste große Krieg, in dem kommerziell verfügbare Satellitenbilder eine wichtige Rolle spielen Bereitstellung von Informationen über Truppenbewegungen, militärische Aufrüstung in Nachbarländern, Flüchtlingsströme und vieles mehr.“

Dieses Satellitenbild von Planet Labs zeigt Brände in der Ukraine, in der Nähe von Ivankiv. Dort kämpften ukrainische und russische Truppen erbittert. (Archivbild vom 28.02.2022)

© dpa/Planet Labs PBC

Wie die Washington Post berichtet, stellen nun mindestens fünf Satellitenfirmen ihre Daten einem Unternehmen zur Verfügung, das der Ukraine bei der Verarbeitung der Daten hilft. Die Namen der Unternehmen seien nicht bekannt, heißt es in dem Zeitungsbericht weiter. Das mag Gründe haben.

Krieg in der Ukraine: Satelliten liefern wertvolle Informationen

Seit Jahrzehnten werden Satelliten zum Ausspionieren anderer Länder eingesetzt. Solche Informationen gelangen oft nicht an die Öffentlichkeit – oft geht es um Themen wie das iranische Atomprogramm oder die Lage in Nordkorea. Doch in den letzten Jahren hat es in der Satellitentechnik fast eine Revolution gegeben: Die Sonden, die in unterschiedlichen Höhen um die Erde kreisen und Bilder von der Erde machen, sind deutlich kleiner und damit auch billiger geworden, gleichzeitig aber leistungsfähiger. Und auch der Transport der Satelliten ins All ist dank privater Raumfahrtunternehmen wie SpaceX günstiger und einfacher geworden.

Ukraine-Krieg: Was passiert, wenn ein privates Unternehmen Satellitendaten bereitstellt?

Doch was passiert eigentlich, wenn ein privates US-Unternehmen Daten an eine ausländische Regierung liefert, die diese dann für einen Angriff nutzt? Diese Frage hat keine einfache Antwort. Die Washington Post etwa berichtet über eine Senatsanhörung des Armed Services Committee in den USA, die sich mit diesem Thema befasst haben soll. Konkret ging es um die Megaconstellation „Starlink“ von SpaceX, die nun in der Ukraine für die Internetkommunikation genutzt werden kann.

Offenbar hat es bereits Versuche gegeben, Satellitensignale zu blockieren, was zu einer wichtigen Frage für den Kommandanten des US Space Command, James Dickinson, führte: Was ist der „rechtliche Rahmen“, „wenn private Akteure in strittige Situationen verwickelt werden“? Dickinson war offenbar nicht in der Lage, eine direkte Antwort zu geben. Laut Washington Post wies er darauf hin, dass die „Starlink“-Satelliten gezeigt hätten, „was eine Mega-Konstellation oder eine erweiterte Architektur in Sachen Redundanz und Leistung bieten kann“.

Eine gestochen scharfe Aufnahme des Luftwaffenstützpunkts in der Nähe des Flusses Pripjat, unweit der weißrussisch-ukrainischen Grenze. Das Bild wurde von einem Planet Labs-Satelliten aufgenommen. (Archivbild vom 02.03.2022)

© Planet Labs PBC

Krieg in der Ukraine: Wie reagieren Länder, wenn ein kommerzieller Satellit angegriffen wird?

Wie der Experte Jack Beard gegenüber der Washington Post erklärt, gilt das Stören von Satellitensignalen im Allgemeinen nicht als „Gewaltanwendung“. Es bleibt jedoch unklar, wie die USA oder andere Länder reagieren würden, wenn ein kommerzieller Satellit angegriffen würde. „Ob ein Angriff auf einen kommerziellen Satelliten einen bewaffneten Angriff rechtfertigt, ist nicht geklärt“, zitierte ihn die Zeitung. „Es ist leicht zu sagen, dass viele dieser Dinge unklar sind, weil sie es sind. Aber sie werden immer relevanter.“

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Ukraine-Krieg: Russland hat Anti-Satelliten-Waffen

Brian Weeden von der Denkfabrik Secure World Foundation befürchtet, dass kommerzielle Satelliten in den Ukraine-Konflikt verwickelt sein könnten. Er sagte der Washington Post: „Wenn ein kommerzielles Unternehmen Daten an einen kriegführenden Akteur in einem bewaffneten Konflikt verkauft und dieser Akteur diese Daten für gezielte Zwecke verwendet, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der kommerzielle Akteur eine Partei des Konflikts ist. Eine andere Möglichkeit wäre sein, dass dieser kommerzielle Satellit ein legitimes militärisches Ziel ist.“ Ein sogenannter Anti-Satelliten-Test (ASAT) im November 2021 zeigte, dass Russland über Anti-Satelliten-Waffen verfügt.

Wie die Washington Post weiter berichtet, haben mehrere der US-Satellitenfirmen Verträge mit dem Pentagon oder Geheimdiensten – es ist also durchaus möglich, dass sie die Aufzeichnungen sehen, bevor sie online gestellt werden. Allerdings gibt es auch Kritik an der Veröffentlichung der Daten – und die kommt aus den Reihen der US-Satellitenfirmen: „Ich wünschte, sie würden die Daten nicht an die großen Medienorganisationen weitergeben, denn alles, was sie veröffentlichen, wird auch von den gesehen Russen, was den Zweck der Geheimdienste zunichte macht“, sagte Marc Bell von Terran Orbital der Zeitung. (Tab)