Nairobi (dpa) – Die UN-Umweltversammlung sagt der Plastikverschmutzung den Kampf an. Auf der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) wurde am Mittwoch eine Resolution verabschiedet, die den Weg für konkrete Verhandlungen für ein rechtsverbindliches Abkommen ebnet.
Im Sitzungssaal gab es anschließend lauten Applaus. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der WWF sprachen von einer „historischen“ Entscheidung.
„Ein verbindliches Abkommen gegen die Plastikverschmutzung ist dringender denn je“, sagte Lemke. Es ist das erste Mal, dass sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigt hat, gegen die Plastikverschmutzung vorzugehen. UNEP-Chefin Inger Andersen bezeichnete das Abkommen als eines der wichtigsten Umweltabkommen seit dem Pariser Klimaabkommen. Man sollte sich keine Pause gönnen und muss schnell verhandeln.
kämpfte um jedes Wort
Bei den Vorverhandlungen war insbesondere die Frage der Rechtsverbindlichkeit umstritten. In den Tagen vor Beginn des Treffens in Nairobi ging jedes Wort bis tief in die Nacht. Laut UNEA-Beschluss soll ein Verhandlungsausschuss bis Ende 2024 eine Konvention erarbeiten. Darin sollen rechtsverbindliche Regeln und Maßnahmen festgelegt werden, die den gesamten Lebenszyklus von Kunststoff betreffen, einschließlich Produktion, Verbrauch und Abfallmanagement.
Nach UN-Schätzungen werden mittlerweile weltweit jährlich 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert. Laut UN werden nur 9 Prozent des Abfalls recycelt. Der Rest landet auf Deponien, wird verbrannt, ins Ausland exportiert oder schwimmt flussabwärts in die Meere. Rund 11 Millionen Tonnen landen jedes Jahr in den Ozeanen, sagt die UNO.
Wissenschaftler warnen nun vor den gesundheitlichen Auswirkungen, die die Plastikproduktion und die allgegenwärtige Verwendung von Plastik auf die menschliche Gesundheit haben. Über die Nahrung, aber auch über die Atemluft gelangen kleinste Plastikpartikel, sogenanntes Mikro- und Nanoplastik, in den menschlichen Körper. Laut einem Bericht des Wissenschaftlichen Beratungsausschusses des UN-Umweltprogramms (UNEP) vom Oktober wurde beispielsweise Plastik in der Plazenta schwangerer Frauen, in der Lunge und in der Leber gefunden. Kunststoffe und Chemikalien, die bei der Kunststoffherstellung verwendet werden, wie beispielsweise Weichmacher, stehen im Verdacht, krebserregend zu sein und die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen.
„Historische“ Entscheidung
Der WWF bezeichnete die Entscheidung als „historisch“. Das klare Verhandlungsmandat sei ein Meilenstein für den Schutz der Umwelt, insbesondere der Meere, sagte Christoph Heinrich, Leiter Naturschutz beim WWF Deutschland. „Das kann der Anfang vom Ende der Plastikflut bedeuten“, sagte Heinrich.
Auch die Kunststoffindustrie sei „sehr zufrieden“, sagte Anne-Gaelle Collot vom World Plastics Council der Deutschen Presse-Agentur. Der Verband selbst habe eine rechtsverbindliche Einigung gefordert, sagte Collot. Aus Sicht der Kunststoffindustrie sei es wichtig, Begriffe wie Recycling und Mikroplastik weltweit einheitlich zu definieren, um mehr Planbarkeit für die Branche zu schaffen, so Collot.
Bei aller Euphorie waren einige Aktivisten eher skeptisch, ob das globale Plastikproblem tatsächlich durch multilaterale Verhandlungen und ein neues Abkommen gelöst werden könnte. Zu oft seien in der Vergangenheit ähnlich gefeierte Umweltabkommen wie das Kyoto-Protokoll und das Pariser Klimaabkommen später unterlaufen worden, sagte ein Delegierter. Er befürchtet, dass nationale Wirtschaftsinteressen von Öl- und Kunststoff produzierenden Ländern einer echten Lösung im Wege stehen könnten, sagte er. Allerdings gibt es derzeit keine andere Alternative, als auf globaler Ebene zu verhandeln.
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