Nairobi (dpa) – Die malerische Ostküste Kenias wirkt wie aus dem Bilderbuch. Weiße Sandstrände, Kokospalmen, hölzerne Fischerboote, die auf den Wellen des Indischen Ozeans schaukeln. Doch etwas stört die Idylle: die vielen bunten Plastikpartikel, die den feinen, weißen Sand durchsetzen.
Das Aufheben wird schnell zur Sisyphusarbeit. Egal wie tief man gräbt, man findet immer Plastikteile: Plastikverpackungen, Shampooflaschen, Einwegbesteck. Anwohner und Gastronomen reinigen die Strände fast täglich. Spätestens nach der nächsten Flut geht die Arbeit jedoch wieder von vorne los.
In der kenianischen Hauptstadt Nairobi arbeiten die UN-Mitgliedsstaaten derzeit daran, ein Abkommen zu weniger Plastikmüll herbeizuführen. Deutschland war eines der ersten Länder, das sich für eine globale Konvention einsetzte. In der kommenden Woche soll auf Ebene der nationalen Umweltminister im Rahmen der am Montag beginnenden UN-Umweltversammlung UNEA der Startschuss fallen.
Nur 9 Prozent werden recycelt
Aber es gibt immer noch kein Entrinnen. Auch nicht im Fischhandel. 90 Prozent dessen, was dem Meer entnommen wird, sei Plastikmüll, sagt ein Fischhändler in Nairobi, der Waren von rund 150 Fischern an der Küste kauft. Beim Ausnehmen von großen Fischen wie Zackenbarsch oder Schwertfisch findet sich regelmäßig Plastik im Bauch.
Für Experten ist der in den Meeren treibende Müll nur die sichtbare Spitze eines globalen Plastikbergs. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) werden mittlerweile weltweit jährlich 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert. Dieser lässt sich nur bedingt recyceln: Laut UN werden nur 9 Prozent des Abfalls wiederverwertet. Der Rest landet auf Deponien, wird verbrannt oder schwimmt flussabwärts ins Meer. Der Vorwurf lautet, dass der exportierte Müll aus reichen Ländern wie Deutschland in ärmeren Ländern oft großen Schaden anrichte, weil er dort mangels Infrastruktur nicht ordnungsgemäß entsorgt werden könne.
Ein Recht auf eine saubere Umwelt
Jenseits des Mülls warnen Wissenschaftler vor den gesundheitlichen Auswirkungen, die die Kunststoffproduktion und die allgegenwärtige Verwendung von Kunststoff auf die menschliche Gesundheit haben. Durch Lebensmittel wie Fisch, Honig oder Salz, aber auch durch die Atemluft gelangen kleinste Plastikpartikel, sogenanntes Mikro- und Nanoplastik, in den menschlichen Körper. Laut einem Bericht des Wissenschaftlichen Beratungsausschusses des UN-Umweltprogramms (UNEP) vom Oktober wurde beispielsweise Plastik in der Plazenta schwangerer Frauen, in der Lunge und in der Leber gefunden. Kunststoffe und Chemikalien wie Weichmacher, die in der Kunststoffproduktion verwendet werden, stehen im Verdacht, krebserregend zu sein und die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen.
„Wir alle haben das Recht auf eine saubere Umwelt, körperliche Gesundheit und ein sicheres Klima. Die weltweite Plastikkrise bedroht all diese Rechte“, sagt Lili Fuhr, Referentin für Internationale Umweltpolitik bei der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. „Die Politik muss dafür sorgen, dass Produkte und Verpackungen, die Schadstoffe enthalten oder nicht wiederverwendbar sind, erst gar nicht auf den Markt kommen.“
Bei den Vorverhandlungen für das neue Abkommen war insbesondere die Frage der Rechtsverbindlichkeit des Abkommens umstritten. Auch darüber, ob die angedachte Konvention zur Meeresverschmutzung den gesamten Lebenszyklus von Plastik und damit auch die Produktion, den Verbrauch und die Abfallwirtschaft behandeln soll, ist seit langem umstritten.
In den Tagen vor der UNEA wurde in Nairobi bis spät in die Nacht um jedes Wort gestritten. Laut Verhandlungskreisen am Wochenende war es möglich, die Rechtsverbindlichkeit und den gesamten Plastiklebenszyklus in den Beschlusstext aufzunehmen. Sollte der Beschluss am Mittwoch tatsächlich einstimmig gefasst werden, ist das Ziel, bis Ende 2023 eine rechtsverbindliche Vereinbarung zu erarbeiten.
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