Was Sie über Depressionen wissen sollten – SWR Aktuell

Startseite » Was Sie über Depressionen wissen sollten – SWR Aktuell
Was Sie über Depressionen wissen sollten – SWR Aktuell

Depression ist mehr als schlechte Laune, Depression ist eine gefährliche Krankheit. Zehn bis 15 Prozent der schwer depressiven Patienten nehmen sich das Leben. Sylvia Claus, stellvertretende Ärztliche Direktorin des Pfalzklinikums in Klingenmünster, beantwortet die wichtigsten Fragen zur Krankheit.


Sylvia Claus, Stv. Ärztliche Direktorin Pfalzklinikum Klingenmünster


SWR



SWR-Strom: Was genau ist Depression, also was ist die Definition aus Ihrer Sicht?

Klaus: Depression hat drei Hauptkriterien: eine gedrückte Stimmung, ein Mangel an Freude und ein Mangel an Motivation. Dabei wird unterschieden, ob jemand eine depressive Verstimmung hat – das wäre weniger intensiv und auch weniger lang. Oder ob jemand eine depressive Episode hat, es muss ein Zustand sein, der mindestens 14 Tage anhält und es muss auch so sein, dass die Betroffenen die ganze Zeit in dieser schlechten Laune bleiben.

Und dann kommen noch viele andere Symptome hinzu: Schlafstörungen, Magersucht, Gewichtsverlust – das sind die körperlichen Symptome – oder auch negative Gedanken an die Zukunft, an sich selbst, Suizidgedanken, Konzentrationsschwierigkeiten, das Gefühl, nicht können zu können nichts tun, sehr erschöpft sein und so weiter. Das heißt: Es gibt so einen Kern und es gibt Nebensymptome und je nachdem wie viele Nebensymptome es gibt, spricht man von einer leichten, mittelschweren oder schweren Depression.

Klingenmünster

Eine Frau steht neben einem Baum.  (Foto: dpa Bildfunk, Julian Stratenschulte)

Die Corona-Pandemie verstärkt Ängste und Depressionen – das zeigt sich auch in der Pfalz. Das Pfalzklinikum in Klingenmünster behandelt deutlich mehr ambulante Patienten mit Angststörungen und Depressionen als vor der Pandemie.
mehr…

SWR-Strom: Was ist gefährlich an Depressionen?

Klaus: Das ist die Suizidalität. Wir haben ein 10-15-prozentiges Risiko für die schweren Episoden. Das heißt, wenn Sie 100 Patienten behandeln, verlieren Sie 15, weil sich Menschen das Leben nehmen – das ist eine riesige Zahl. Das ist das größte Risiko.

Etwa die Hälfte der Menschen mit wiederkehrenden Depressionen unternimmt mindestens einen Selbstmordversuch, der nicht tödlich verläuft. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass Depressionen chronisch werden, also länger als zwei Jahre andauern und schwieriger zu behandeln sind. Daher ist es enorm wichtig, sich frühzeitig Hilfe zu holen und nicht darauf zu warten, dass sich die Krankheit von alleine bessert.

SWR-Strom: Wie sind die Heilungschancen bei einer Depression?

Klaus: Sie haben eine sehr gute Chance auf Depressionen. Es gibt verschiedene Arten von Depressionen. Du hast vielleicht nur eine Phase in deinem Leben und dann nie wieder. Etwa die Hälfte der Patienten hat eine zweite Phase, die meist wieder gut ausheilt.

Es gibt einen kleinen Prozentsatz von Patienten, die sehr lange Krankheitsepisoden haben, die bis zu zwei Jahre dauern können. Es gibt aber auch Behandlungsmethoden, die sehr gut helfen. So muss niemand mit seiner Depression unbehandelt allein zu Hause sein. Manchmal dauert es eine Weile, aber auf jeden Fall sollten Menschen mit Depressionen Hilfe suchen und sich behandeln lassen.



Angst und Depression: Frau wirft sich die Hände über den Kopf (Foto: Colourbox, Daisy Daisy)

Wer Angst hat, an einer Depression zu erkranken, sollte sich frühzeitig Hilfe suchen






Gänseblümchen Gänseblümchen


SWR-Strom: Viele Menschen haben Angst vor Drogen – also Psychopharmaka. Was sagt ihr zu diesen Ängsten?

Klaus: Um die Drogen ranken sich einige Mythen: Zum Beispiel, dass sie zu einer Persönlichkeitsveränderung führen können. Es ist keineswegs so, dass die Medikamente die Persönlichkeit verändern.

Ein weiterer Mythos ist, dass die Drogen süchtig machen. Es gibt Medikamente, die abhängig machen, das sind in erster Linie Beruhigungsmittel – sogenannte Tranquilizer – wie Valium. Die klassischen Antidepressiva, also die Stimmungsaufheller, bewirken weder eine Persönlichkeitsveränderung noch machen sie abhängig.

Was sie aber bewirken: Sie verhelfen dem Patienten zu mehr Tatendrang und etwas mehr Vertrauen, sodass die Patienten auch an anderen Therapiemethoden wie Achtsamkeitstherapie oder Gesprächskreisen teilnehmen können. Das heißt, die Medikamente sind ein bisschen wie die Krücken in der Operation nach einem Beinbruch, um wieder laufen zu lernen.

SWR-Strom: Welche Rolle spielen Partner und Angehörige und wie schwer ist die Krankheit für Sie?

Klaus: Da ist es für die Angehörigen unheimlich schwer – und für die Partnerschaft eine enorme Belastung, wenn einer der Partner an Depressionen erkrankt. Wichtig ist, dass der Partner versucht, das Krankheitsbild zu verstehen und den Betroffenen dabei unterstützt, sich professionelle Hilfe zu holen. In einer schwierigen Phase hilft der Partner am besten, wenn er dafür sorgt, dass der depressive Patient zum Arzt geht und Medikamente oder eine Therapie einnimmt. Das ist der wichtigste Rat.

Angehörige neigen oft dazu, sich zu überfordern und geraten dann in eine Krise. Auf die eigenen Grenzen achten, mehr über die Krankheit erfahren, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige besuchen, das sollten Sie tun. Geben Sie keine gut gemeinten Ratschläge, das ist eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen, sondern hören Sie zu, zeigen Sie Verständnis und Interesse für den anderen, vermitteln Sie Hoffnung, dass es wieder besser wird.