Fehleinschätzung von Boutros Boutros-Ghali 1985
Der viel zitierte Satz, dass die Kriege der Zukunft um Wasser geführt werden, gilt mittlerweile als Fehleinschätzung. Es stammt aus dem Jahr 1985. Es waren die Worte von Boutros Boutros-Ghali. Er war damals ägyptischer Diplomat und wurde später UN-Generalsekretär.
Allerdings sprach er nicht generell von den Kriegen der Zukunft, sondern vom nächsten Krieg im Nahen Osten. Es wird um Wasser gehen, nicht um Politik.
Boutros-Ghali ist mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geraten, aber sein Satz über die Wasserkriege schwingt bis heute nach und wurde verallgemeinert zu: In den Kriegen der Zukunft wird es um Wasser gehen. Das klang damals sehr weise und weitsichtig.
In den letzten 40 Jahren hat es keinen Krieg um Wasser gegeben
Das ist nun fast 40 Jahre her, wir leben also längst in der Zeit, die aus Sicht von 1985 die „Zukunft“ war. Seitdem wurden Dutzende Kriege geführt, auch im Nahen Osten – aber nicht ein einzelner über Wasser.
Konflikte um Wasser kommen vor: Staudämme sorgen für Spannungen
Was zweifellos existiert, sind Konflikte um Wasser. Vor allem, wenn Staudämme gebaut werden. Das führt einerseits zu Spannungen im Staat selbst: Natur wird zerstört, Menschen werden umgesiedelt. Und es kommt zu internationalen Konflikten: Äthiopien staut den Oberlauf des Nils, der Ägypten bedroht. Die Türkei staut Euphrat und Tigris auf – zum großen Ärger Syriens und des Iraks. Manchmal wird es laut, wie im Fall des Nils, es wird mit Krieg gedroht, aber am Ende kommt es nicht dazu. Denn dafür haben die meisten Staaten in der Regel genug andere Probleme.
Im kurdischen Nordosten Syriens ist Wasser knapp. Ein Grund: Dürre. Ein anderer: Die Türkei blockiert den Euphrat.
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Wasser steht auch nicht im Mittelpunkt des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern
Viele Menschen denken auch an den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Auch dort gibt es gelegentlich Streit um Wasser, weil es ungleich verteilt ist, da Israelis pro Kopf mehr Wasser verbrauchen als Palästinenser. Und doch steht das Wasser dort nicht im Mittelpunkt des Konflikts. Dass der sogenannte Friedensprozess lange auf Eis liegt, hat viele Gründe – aber Wasser gehört nicht dazu. Im Gegenteil: Wasser ist eines der wenigen Themen, bei denen beide Seiten halbwegs sachlich verhandeln.
Verteilungsfragen in Bezug auf Wasser sind ziemlich brisant
All dies bedeutet nicht, dass Fragen der Wasserverteilung nicht explosiv sind. Viele Regionen leiden dramatisch unter Wasserknappheit, teils selbstverschuldet, teils klimabedingt. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung, der steigenden Ansprüche und des Klimawandels mag sich die Situation vielerorts auch verschärfen, aber nicht alles, worüber Staaten streiten, ist automatisch ein Kriegsgrund.
Spielen wir es durch: Angenommen, Ägypten beginnt tatsächlich einen Krieg gegen Äthiopien über den Nil. Welches Ziel hätte er? Ägypten müsste Äthiopien dauerhaft besetzen, um sich den Zugang zum Wasser zu sichern. Das wäre total verrückt. Letztlich gilt hier das Kalkül, das eine Strategiefigur der israelischen Armee vor Jahren aufgestellt hat, als er sagte: „Warum wegen Wasser in den Krieg ziehen? Guter Punkt. Die Erfahrung zeigt, dass verfeindete Staaten auch in Kriegszeiten in Wasserfragen pragmatisch bleiben.
Indien und Pakistan haben mehrere Kriege um Kaschmir geführt, aber ihr gemeinsames Wasserabkommen hat überlebt. Sogar in ihren Kriegen haben sie das Wasser geteilt. Dennoch lebt der Mythos vom Krieg ums Wasser weiter.
Der Krieg in Syrien wird nicht durch den Klimawandel verursacht
Eine neue Variante sind die angeblichen Klimakriege. So behaupteten britische Forscher im Jahr 2020, der Bürgerkrieg in Syrien sei das Ergebnis akuter Wasserknappheit, einer Dürre im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die zu Binnenmigration und schließlich zu den Aufständen gegen Assad geführt habe. Bei näherer Betrachtung kam man jedoch schnell zu dem Schluss, dass die Verbindung zwischen Dürre und Bürgerkrieg weit hergeholt war.
In zeitgenössischen Kriegen geht es um Macht und militärische Kontrolle
Die Kriege der Gegenwart werden immer noch um Macht und militärische Kontrolle geführt, um Öl und Diamanten und seltene Erden. Vielleicht auch über Religion oder was dafür ausgegeben wird. Sie werden kaum zu Wasser geführt. Weil Wasser meist nicht ideologisch aufgeladen ist, ist Wasser kein Prestigeobjekt.