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VonPamela Dörhofer
daraus schließen
In Göttingen werden Substanzen entdeckt, die verhindern sollen, dass die Tau-Proteine im Gehirn verklumpen.
Die Vorstellung, sich kaum noch an etwas zu erinnern, sich nicht orientieren zu können, seine Liebsten nicht wiederzuerkennen, ist wohl für jeden erschreckend – und die Diagnose Alzheimer entsprechend gefürchtet. Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an dieser häufigsten Form der Demenz. Trotz intensiver Forschung gibt es noch keine Therapie, mit der die Krankheit aufgehalten oder gar geheilt werden kann.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen am Standort Göttingen (DZNE) wollen nun zwei potenzielle Medikamente gegen Alzheimer in Laborstudien untersuchen und erhalten dafür vom Europäischen Forschungsrat (ERC) eine Förderung in Höhe von 150.000 Euro. Ziel ist es, einen vielversprechenden Medikamentenkandidaten zu finden, der dann in klinischen Studien am Menschen weiter getestet werden kann.
Konkret geht es um zwei Substanzen, die das Verklumpen von Tau-Proteinen im Gehirn, einer der Hauptursachen für Alzheimer, verhindern sollen: Während Amyloid-Peptide außerhalb von Nervenzellen Plaques bilden, verklumpen Tau-Proteine im Inneren von Nervenzellen.
Diese „Tau-Aggregation“, wie sie im Fachjargon genannt wird, gilt daher als potenzieller Angriffspunkt von Therapien. „Hier setzen unsere Untersuchungen an“, sagt Biophysiker Markus Zweckstetter vom DZNE. „Ein wirksames Anti-Tau-Aggregationsmittel hätte ein breites Anwendungspotenzial. Denn Tau-Aggregate kommen nicht nur bei Alzheimer vor, sondern auch bei einer ganzen Reihe anderer neurodegenerativer Erkrankungen.“
Patent angemeldet
Die Wirkung der beiden Substanzen auf die Tau-Proteine entdeckten der Göttinger Wissenschaftler und Kollegen in früheren Studien. Beides sind niedermolekulare Verbindungen, Substanzen mit vergleichsweise einfachen Strukturformeln, die chemisch synthetisiert werden können. Da die Forscher ein Patent angemeldet haben, verraten sie noch nichts Konkretes zu diesen Substanzen. Wie es in einer Mitteilung des DZNE heißt, sollen sie bereits in klinischen Studien am Menschen getestet worden sein. Eine dieser Substanzen ist in den USA und der EU sogar als Medikament zugelassen, jedoch nicht zur Behandlung von Alzheimer oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Ist ein Wirkstoff bereits für eine andere Indikation zugelassen, hat dies den Vorteil, dass sein Sicherheitsprofil meist recht gut bekannt ist. „Wir halten die bereits zugelassene Substanz für besonders vielversprechend, weil bereits nachgewiesen wurde, dass sie ins Gehirn gelangen kann“, erklärt Zweckstetter. Über den anderen Wirkstoff, der getestet werden muss, ist dies noch nicht bekannt.
Untersuchungen des Teams deuten darauf hin, dass beide Substanzen einen Prozess stören, der als „Flüssig-Flüssig-Phasentrennung“ bezeichnet wird. „Dieses Phänomen führt dazu, dass sich Tau-Proteine auf engstem Raum konzentrieren. Dadurch entstehen winzige Tröpfchen mit Tau-Proteinen in der Zellflüssigkeit“, erklärt Zweckstetter. Diese Tropfenbildung wiederum ist Voraussetzung für die Verklumpung. „Wenn man die Bildung solcher Tröpfchen stört, verhindert man auch, dass Tau-Proteine verklumpen. Genau das leisten die von uns gefundenen Wirkstoffe.“ Diese Wirkung wurde für beide Wirkstoffkandidaten bereits in Laborexperimenten und auch in Zellkulturen nachgewiesen, auch Versuche mit Fruchtfliegen sollen vielversprechende Ergebnisse gezeigt haben. Im nächsten Schritt sollen die Substanzen nun an Mäusen getestet werden.