Corona-Pandemie: Warum wissen wir noch so wenig? Possoch klärt auf!

Startseite » Corona-Pandemie: Warum wissen wir noch so wenig? Possoch klärt auf!
Corona-Pandemie: Warum wissen wir noch so wenig?  Possoch klärt auf!

Wir haben Impfstoffe, Lockdown-Strategien und auch ein halbwegs funktionierendes Testsystem. Aber was fehlt? Die richtigen und wichtigen Daten. Denn diese können helfen, Krankheiten zu besiegen. Aber wir haben hier in Deutschland ein echtes Problem: Der Sachverständigenrat der Bundesregierung zu Covid-19 hat kürzlich die schlechte Corona-Datenlage kritisiert. Die neue Folge „Possoch klärt auf“ beschäftigt sich mit der Frage, warum wir in Deutschland immer noch eine so schlechte Datenlage haben. (Video unten).

Deutschland hinke beim Datenmanagement viele Jahre hinterher, sagt Thorsten Lehr. Er ist Professor für Klinische Pharmazie und Corona-Modellierer an der Universität des Saarlandes. Auch in hochspezialisierten Krankenhäusern und Universitätskliniken arbeiten Mitarbeiter „noch mit ausgedruckten und beklebten Excel-Listen“, sagt Lehr. „Man fragt sich wirklich, wie so etwas in Deutschland passieren kann.“ Ihm zufolge fehlt auch die elektronische Patientenakte, um Informationen auslesen zu können. Andere Länder wie die Niederlande, Großbritannien oder Dänemark hätten das laut Lehr deutlich besser hinbekommen.

Der Föderalismus behindert eine gute Datenanalyse

Wie kommt es, dass wir hier immer noch so ein enormes Datenproblem haben? So fehle etwa eine einheitliche Software zur Datenerhebung und -analyse, kritisiert der führende Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Gérard Krause: „Viele Menschen haben sicher unterschätzt, wie lange sich diese Pandemie hinziehen wird.“ Es wurde über ein neues Datenverarbeitungssystem nachgedacht. Doch Aufwand, Nutzen und termingerechte Fertigstellung wurden angezweifelt: „Und man kam schnell zu dem Schluss: Nein, bis dahin ist die Pandemie vorbei.“ Das war eine massive Fehleinschätzung.

Aber: Mitten in der Krise ein fundiertes neues System aufzubauen, sei zu viel verlangt, sagt Krause. Die an einem solchen System Beteiligten haben während der Pandemie alle Hände voll zu tun und sind völlig überarbeitet. „Ich finde, man sollte gegenüber Politikern und den eigentlichen Entscheidungsträgern ein bisschen fair sein“, sagt er.

Hospitalisierungszahlen nicht zuverlässig

Das ändert natürlich nichts daran, dass viele Informationen zur Corona-Situation fehlen oder die Qualität nicht stimmt. Derzeit gebe es beispielsweise viele Probleme mit der Zahl der Krankenhauseinweisungen, sagt der Experte für Corona-Prognosen, Thorsten Lehr. Einerseits wurden sie viel zu spät aufgenommen, andererseits wusste niemand genau, warum Covid-Patienten ins Krankenhaus kamen. Die Patienten seien mit Covid im Krankenhaus, sagt Lehr: „Aber ist es, weil sie sich das Bein gebrochen haben oder weil sie eine Lungenentzündung haben?“ Der Grund für den Krankenhausaufenthalt ist unklar. Es gibt viele dunkle Bereiche, die ein großes Problem darstellen.

Aber diese Dunkelfelder können entscheidend sein. Die Zahl der Corona-Neuaufnahmen in Krankenhäusern soll der neue Maßstab für die Pandemie sein. Das hat die Bundesregierung bereits im vergangenen Herbst beschlossen. Das von Lehr angesprochene Problem mit der zeitlichen Verzögerung spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Die Art und Weise, wie diese Daten in Deutschland erhoben werden, liegt zwei Wochen oder länger zurück. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen den tagesaktuellen und den nachträglich gemeldeten Zahlen, wie in der Grafik zu sehen ist.