Das Ende der Papierfabrik Albruck im Jahr 2012 hat viele Arbeitsplätze gekostet.
. Zehn Jahre ist es her, dass die Papierfabrik Albbruck für immer geschlossen wurde. „Wie die meisten Menschen, die hier seit Jahrzehnten ihren Lebensunterhalt verdienen, tut es mir immer noch weh, wenn ich an dem komplett veränderten Firmengelände vorbeifahre“, sagt Thomas Gallmann. Wie die meisten seiner ehemaligen 570 Kollegen hat der ehemalige Betriebsratsvorsitzende längst einen Job gefunden. Doch die Schließung verfolgt ihn bis heute.
Gallmann ist damit nicht allein. Wenn die Zeit angeblich alle Wunden heilt und sich innerhalb eines Jahrzehnts viel verändert hat, ist die Schließung eines der damals größten Arbeitgeber der Region bis heute spürbar. Niemand hätte geglaubt, dass es angesichts der großen Investitionen in Produktionsanlagen die „Papierarbeiter“ nicht mehr geben würde. „Wir haben gute operative Ergebnisse erzielt“, sagen die Alumni heute. Sie hatten daher große Hoffnungen, dass sich ein Investor finden würde, um die Produktion am Laufen zu halten. Ob es wirklich einen potenziellen russischen Käufer für den Standort Albbruck gibt, wurde nie offiziell bestätigt. Viele hielten das für ein Gerücht. Aber auch Thomas Gallmann sah in den wiederholten Schilderungen eines Mitglieds des mittleren Managements den Strohhalm der Rettung.
Doch schon vor Beginn der Verhandlungen über die Zukunft der Papierfabrik sei für den finnischen Eigentümer klar gewesen, dass in Albbruck kein Papier mehr produziert werden dürfe, sagt Gallmann heute. Die Papierfabrik, die UPM wenige Monate zuvor von einem anderen finnischen Konzern übernommen hatte, musste vom Markt verschwinden. Diese Sichtweise wurde auch während des Runden Tisches nicht geändert. Albbrucks Oberbürgermeister Stefan Kaiser erinnert sich noch genau an den 31. August 2011. Es war der letzte Tag seiner dreiwöchigen Sommerferien. Seine Erholungswirkung sollte für ihn auf einen Schlag vorbei sein. „Am Abend bekam ich einen Anruf von Vorstandsmitglied Harald Wurster, dass ich mich auf ein unaufschiebbares Gespräch einstellen müsse“, erinnert sich Kaiser. Bereits eine Stunde später trafen sie sich im Rathaus von Albbruck. Um 21 Uhr konnte der Bürgermeister bereits erahnen, welche Folgen die Werksschließung für die Region haben würde. „Es war ein Federstrich für das Unternehmen. Ein Stich ins Herz für die Gemeinde und die Region“, sagt Kaiser.
Die Nachricht vom bevorstehenden Einsturz der Papierfabrik löste bei allen Beteiligten enorme Anstrengungen aus. Am 16. September 2011 formierte sich in Albbruck eine Großdemonstration, wie es sie in der Region noch nie gegeben hat. Doch die lautstarken Forderungen von mehr als 4000 Menschen, das Unternehmen zu behalten, beeindruckten die Eigentümer nicht. Trotz mehrerer Verhandlungen am runden Tisch änderten sie ihren Kurs nicht. Als Ende November 2011 der Albbrucker Weihnachtsmarkt in unmittelbarer Nähe adventliche Stimmung verbreitete, warteten viele Mitarbeiter und ihre Familien gespannt auf die Ergebnisse der letzten Gesprächsrunde. Das Ergebnis raubte vielen Betroffenen jegliches Vertrauen und ließ Tränen fließen: Am 31. Januar 2012 schlossen sich die Tore der Papierfabrik für immer.
Viele Mitarbeiter waren nun in der ausgehandelten Transfergesellschaft. Das Firmengelände wurde im Mai 2012 an die bayerische Karl-Gruppe verkauft. Diese hatte auch die Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung mit Rückstellungen in Höhe von 20 Millionen Euro abgesichert. In der Vergangenheit haben sich jedoch einige Alumni wegen ihrer Einhaltung sogar an das Gericht gewandt. „Schade, dass Rentenerhöhungen, die uns zustehen, nicht automatisch ausgezahlt werden“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, der sein gesamtes Berufsleben in der Papierfabrik verbracht hat. Wer die Erhöhungen nicht schriftlich beantragte, würde automatisch darauf verzichten. Gerade für Kollegen, die nicht so gut Deutsch sprechen, ist das ein großer Nachteil. „Ein solches Vorgehen grenzt an Betrug“, macht der ehemalige Mitarbeiter seinem Ärger Luft.
Der ehemalige Lehrlingsausbilder Bernhard Huber hatte sich bereits vor Bekanntgabe der Betriebsschließung für die Vorruhestandsregelung entschieden. Andere akzeptierten einen längeren Weg zu einem neuen Arbeitsplatz, wieder andere akzeptierten eine Umschulung. Vor allem schwerbehinderte und ältere Kolleginnen und Kollegen hatten es schwer, eine andere Stelle zu finden. Plötzlich saßen „papieri“-Mitarbeiter am Steuer von Bussen oder fuhren Triebwagen auf der Hochrheinstrecke. „Einige ehemalige Kollegen sind inzwischen von ihren Plänen in anderen Unternehmen negativ überrascht worden“, sagt Gallmann. Der heute 64-Jährige bezeichnet es als echten Glücksfall, in seinem Wohnort eine Stelle bei der Stadt Wehr gefunden zu haben.
Bald werden die letzten Reste der Papierfabrik verschwunden sein. Aber die Erinnerung an die „Papieri“ bleibt lebendig. Doch sobald die letzten Abbruch- und Baumaschinen abgezogen sind und das Gelände einer neuen Nutzung zugeführt wurde, wird ein Gedenkstein auf dem Gelände einen würdigen Platz finden. Die Katholische Mitarbeiterseelsorge Hochrhein stiftete zur Erinnerung an die Papierfabrik eine an einem Findling befestigte Gedenktafel. Auf dem Gelände des städtischen Depots Albbruck wartet der steinerne Zeitzeuge darauf, endlich aufgestellt zu werden.
Vom Bügeleisen zum Papier
Auf der Alb wurde einst Eisen verhüttet: Seit 1686 betrieben Schweizer Unternehmer in Albbruck eine Eisenhütte, das Holz dafür stammte aus dem Hotzenwald. Das Kloster St. Blasien erwarb dann bis 1778 das gesamte Werk. Zusammen mit dem Kloster gelangten dieses und die Fabriksiedlung Albbruck mit der Säkularisation 1806 in den Besitz des badischen Staates. 1866 wurde es wegen mangelnder Rentabilität geschlossen. Seit 1875 wird hier Papier hergestellt: 1870 erwarb die Schweizer Gesellschaft für Holzstofffertigung die leerstehende Eisenhütte und produzierte zunächst Zellstoff, 1875 stellte das Unternehmen auf die Papierherstellung um. In der Folge wurden die Produktionsanlagen bis 1971 auf sieben Papiermaschinen erweitert. In ihrer Blütezeit beschäftigte die Papierfabrik mehr als 800 Mitarbeiter. Anfang 2011 verkaufte der finnische Eigentümer Myllykoski die Fabrik an die ebenfalls finnische UPM-Kymmene, die sie ein Jahr später schloss. Bis zu 1.000 Menschen sollen hier künftig leben: Die Gemeinde hat bereits Pläne, wie sich das Areal in Zukunft entwickeln könnte. Der Großteil des Firmengeländes ist geräumt und die Kläranlage ist bereits vollständig im Besitz der Gemeinde.