Frauen, die wissen, wie man kämpft

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Frauen, die wissen, wie man kämpft

Die Herrin der Wikingerstadt Kattegat ist eigentlich schwarz. Lebendiges Beispiel für die Toleranz der Nordmänner, deren Liebe eben Liebe ist. Einer von ihnen verliebte sich in die afrikanische Mutter von Jarl Haakon. Und nun sucht der Jarl von Kattegat einen Krieger für eine „Reise nach Asgard, um dem Anführer der Aesir einen Hilferuf zu überbringen“.

„Vikings: Valhalla“: Es ist bekannt, dass eine andere Religion vorherrschte

Als Zuschauer weiß man natürlich, wie es am Ende für die Altgläubigen unter den Wikingern ausgegangen ist. So sehr man sich wünscht, dass der Hilferuf des schmächtigen Audun aus dem Jenseits erfolgreich gewesen wäre, da Haakon und die Leute von Kattegat in der ersten Staffel dieser opulenten Intrige namens Vikings: Valhalla zu den Guten gehören, ist klar, dass eine andere Religion gesiegt hat.

Thor ist heute weithin nur als einer von Marvels „Avengers“ bekannt, Allfather Odin und Ehefrau Freya als Avenger-Eltern. Seit Ewigkeiten wird nicht mehr in ihre Richtung gebetet, und außer vielleicht ein paar Reichsbürgern rechnet niemand damit, nach ihrem Tod mit den Asen Met und Bierhörner an ihren Tisch zu hieven.

Vikings: Valhalla ist da, die Fortsetzung der erfolgreichen Vikings-Serie. Nach den Schicksalen des Wikingerführers Ragnar Lothbrok, seiner verbundenen und widersprüchlichen charismatischen Söhne, der Schildmaid Lagertha und des Schiffsbauers Floki, wurde in der weitgehend fesselnden Mother-Serie (2013-2020) erzählt, nachdem das raue Island von den Warägern der Rus qualvoll besiedelt wurde ‚ Kiew abgewehrt wurden und Ragnars Nachkomme Ubbe den schwierigen Seeweg nach Westen bewältigte (aber nicht über den Rand der Welt stürzte), wird sich nun ein vielversprechendes Spannungsfeld ergeben.

„St-Brice’s-Day: Ein grausamer Mord um die Jahrtausendwende

Nämlich die des beginnenden Verfalls, als das Christentum die Kultur der Wikinger überwältigte, unterminierte und zu ihrer Auflösung beitrug. Der Spitzname „Walhalla“ bezieht sich auf Odins Götterpalast Walhalla in der Mythologie und den Glauben an ein ewiges Jenseits des Kämpfens und Feierns, der nicht von allen nordischen Volksgruppen geteilt wird. Traurigkeit im Titel, die Endzeit eines extrem telegenen Volkes wird eingeläutet – ab jetzt geht es bergab.

Der Zuschauer wird in die erste nachchristliche Jahrtausendwende geführt. Der betagte englische König Æthelred beschließt kurz nach Allerheiligen im düsteren britischen Herbst des Jahres 1002 eine grausame Tat. „Wenn Unkraut in der Gerste wächst, gibt es nur einen Weg, es zu stoppen“, sagt er zu seinem erstaunten nordischen Vasallen Sten . Und befiehlt das Massaker am „St. Brice’s Day“, um alle auf der Insel lebenden nordischen Männer, Frauen und Kinder zu töten.

Die Serie verschweigt galant, dass die im sogenannten Danelag lebenden Wikinger damals die Engländer mit Raubzügen ärgerten, die Tribute übertrieben und mit ihrer Treue zur Krone nicht allzu genau umgingen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Wikingerprinz Harald Sigurdsson entkommt knapp, sein Bruder stirbt. Vengeance wird die treibende Kraft der Serie von Showrunner Jeb Stuart (Drehbücher für Action-Klassiker Die Hard und On the Fugitive) und Vikings-Schöpfer Michael Hirst sein, der hier unter den ausführenden Produzenten auftritt.

So mancher Todesfall wird als Verschwendung empfunden

Es geht medias in res. Zu Beginn sprießen potenzielle Charaktere über den ganzen Bildschirm, von denen einige sofort wieder ermordet werden, was den Eindruck übereilten Geschichtenerzählens und auch einer gewissen Menge an verschwendetem Personal erweckt – letzteres dauerte bis zum Ende der ersten Staffel von acht Episoden (derzeit sind insgesamt 24 angepeilt) zunimmt und der Tod so mancher Figur als krasse Fehlentscheidung empfunden wird.

Übrigens sieht der Wikimaniac, was er liebt: Wikingerboote in stürmischer See, Äxte, die kraftvoll auf Schilde schlagen, prägnant sprechende Anführer und potenzielle Helden. Noch mehr als King Canute (Bradley Freegard mit Sean Connrys Charisma) und Harald (Leo Suter) sind dies Leif Eriksson (Sam Corlett) und seine Schwester Freydis (Frida Gustavsson), die Kinder des verbannten Erik the Red. Während Leif hauptsächlich das unbekannte, bevölkerungsreiche (und fiktive) Kattegat bewundert, ist Freydis auf der Suche nach einer persönlichen Rechnung – sie wurde von einem christlichen Wikinger vergewaltigt, der ihr ein Kreuz in den Rücken schnitzte.

Die Wikinger versammeln sich zu einer Rache

Die Wikingerstämme versammeln sich in der (fiktiven) norwegischen Hafenstadt Kattegat, um Rache zu üben, angeführt von Knut. Sie rechnen sich gute Chancen aus, wenn der Tod des Wikingermörders Aethelred bekannt wird und er und sein Sohn Edmund (Louis Davison) ihm in London auf den Thron folgen, ein als schwach geltender Teenager.

Eigentlich braucht man keinen englischen Feind, denn in den eigenen Reihen herrscht Geschrei und Mord. Die bekehrten Wikingerstämme haben bereits den Untergang ihrer orthodoxen Brüder und Schwestern beschlossen. Lassen Sie sich nicht von Olav II Haraldssons (Jóhannes Haukur Jóhannesson) bärigem Auftreten täuschen – hinter dem Bud-Spencer-ähnlichen Lächeln steckt immer das Kalkül des Verrats. Und Jarl Kore (Asbjörn Krogh Nissen) ist dann ein Hasssammler ersten Ranges – ein Bösewicht vom Kaliber „Game of Thrones“. Der große christliche Fanatiker in seinem Nosferatu-ähnlichen schwarzen Kriegermantel scheint unbesiegbar und begeht im Namen Christi Unvorstellbares.

In „Vikings: Valhalla“ betont das Autorenteam immer wieder den brutalen Alleinvertretungsanspruch des Neuen, der das gemäßigtere, behäbigere Alte verdrängt. Die religiöse Engstirnigkeit der Wikingerchristen steht im Gegensatz zu den Vorstellungen religiöser Toleranz, vom „offenen Land“ Norwegen als moralisch unterlegen. Sind die alten Wikis rabiate Schlägereien, fehlt ihren getauften Brüdern in ihrer Gier nach weiterer Christianisierung jegliches Bewusstsein dafür, dass sie eigentlich für einen Gottessohn kämpfen, dessen Kernbotschaft und oberstes Kirchenprinzip die Liebe ist – ein Hinweis auf das, was noch ist das Falsche getan, bis heute christliche Macht missbraucht.

Frauen sind die wahren Heldencharaktere von Vikings: Valhalla

Die Frauen sind die wahren Helden in Vikings: Valhalla. Ob Emma aus der Normandie (Laura Berlin) oder König Knuts erste Frau Aegilfu (Pollyanna McIntosh), zwei Damen, die unerbittlich und listig um die Herrschaft in England kämpfen, oder der weise Jarl Haakon (Caroline Henderson), der versucht, den Frieden im Kattegat zu wahren. Frida Gustavsson als Freydis ist schon vor ihrer harten Ausbildung zur schwertschwingenden Schildmaid wahrscheinlich die defensivste Wikingerfrau, die Sie je auf der Leinwand gesehen haben. Körperlich fordert sie Riesen zum Kampf heraus, wenn ihr Unrecht getan wird, und zur Verteidigung ihrer Schutzzauber sind sogar Lederschnüre ihre tödliche Waffe. Jemand im Weg? Auf ihn mit Gebrüll!

Frauen hatten in den Wikingerländern eine relativ hohe Position, was durch die Forschung gestützt zu werden scheint. In „Vikings: Valhalla“ hingegen scheint sich die emanzipatorische Vorwärtsbewegung unserer Gegenwart widerzuspiegeln. Wie in früheren Auftritten der Wikinger-Popkultur wie The Vikings (1958, mit Kirk Douglas) und Raid of the Vikings (1965, mit Richard Widmark), waren Frauen eher geschützte Heimbewohner, ebenso wie die Krieger im Comicbuch Asterix und die Normannen“ (1971) kam unverheiratet zu den Galliern, um durch das Kennenlernen der Angst endlich das Fliegen zu lernen.

Immer wieder nimmt die Serie Bezug auf die Helden von „Vikings“

Im Allgemeinen wird die historische Korrektheit nicht so ernst genommen. „Vikings: Valhalla“ orientiert sich an historischen Ereignissen, hat auch teilweise historisch verbürgtes Personal, nimmt sich aber dramaturgische Freiheiten, würfelt die Daten und ist sicher nicht geeignet, wissenschaftliche Arbeiten zum späten Frühmittelalter zu unterstützen. Mehr als Zeitgefühl bleibt hier nicht – aber es gelingt wieder. Und spätestens ab der fünften Folge hat Game of Thrones Sie süchtig gemacht.

Immer wieder scheint es aber, als traue sich die Serie nicht zu, als bräuchte sie die Krücken des Vorgängers, um aufzustehen. Denn allzu oft werden die Helden von einst beschworen, allen voran Ragnar, Lagertha, Björn Eisenseite und Yvar, der Knochenlose. Die Tatsache, dass Ragnars Sohn Ubbe von der Anbetung ausgeschlossen wird, könnte etwas damit zu tun haben, dass er Amerika (hundert Jahre zu früh) in der letzten Staffel von Vikings entdeckte – was Leif Eriksson von den beiden isländischen Vinland-Saga zugeschrieben wird. Diese Reise wird wohl auch Thema der neuen Serie sein.

Nach dem, was ihm in den ersten acht Folgen passiert ist, konnte es niemand Eriksson verübeln, wenn er einen Szenenwechsel brauchte.

„Vikings: Valhalla“, erste Staffel, acht Folgen, von Jeb Stuart, mit Sam Corlett, Frida Gustavsson, Laura Berlin, Caroline Henderson, Leo Suter, Asbjörn Krogh Nissen (ab 25. Februar auf Netflix)