Traktorfahren ist bei Jürgen Scharnhop noch ein ganz ursprüngliches Erlebnis: Es knattert und ruckelt, wenn der Bauer sein historisches Gefährt über das Kopfsteinpflaster seines Hofes lenkt. „Ich fahre ihn gerne langsam durch die Dörfer“, sagt der ehemalige Bauer.
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 Kilometer pro Stunde. An verschneiten Wintertagen zieht der 84-Jährige in der Kleinstadt Niendorf in der Gemeinde Römstedt im Landkreis Uelzen seinen Schlitten mit Kindern hinter seinem Gefährt über die Straßen. Damit sie nicht so stark wackeln, hat er die dicken Schienen an den Schlitten selbst erneuert.
Stolz sitzt er auf einem Oldtimer – er pflegt und hegt die 40 teils neu lackierten Exemplare in seinem kleinen Museum. Ein Erlebnis ist die aufwändige Beleuchtung eines Lanz Bulldog von 1940 mit einer Zweitakt-Glühkerze. Das Vorheizen ist ein minutenlanges Ritual: Er gießt die Heizlampe halb voll mit Benzin, dann gießt er Alkohol darüber, den Scharnhop mit einem langstieligen Feuerzeug anzündet. Erst wenn die blaue Flamme der Zündscheibe glüht, kann der Technikbegeisterte loslegen.
Dazu nimmt er das große Lenkrad, hängt es ein und schmeißt das bullige Gefährt mit Hilfe von Besuchern an – alleine schafft er das in seinem Alter nicht mehr. Geduld zahlt sich aus: Aus dem langgestreckten Schornstein ziehen graue Wolken, und der Lärm erfüllt die Halle. „Diesem Traktor muss man mit Respekt begegnen“, sagt der Experte. Scharnhop kann an diesem Tag nicht mit dem Lanz losfahren, also müsste er die vielen Traktoren umparken. Viel Arbeit, weil alle aufgebockt sind. „Die stehen das ganze Jahr herum, sonst würden die Reifen Druckstellen bekommen“, erklärt der Spezialist. Mindestens fünf sind noch lizenziert.
Traktortag und Ausstellung im Museum PS.speicher
Fans schätzen auch das ohrenbetäubende Tuckern, das alle zwei Jahre stattfindet Tag des Traktors des PS.RAMMER Museums in Einbeck im Landkreis Northeim. Die Oldtimer-Fans reisen wie zu einem großen Familientreffen, alle Generationen sind vertreten. „Die Traktorenszene ist eine der am schnellsten wachsenden Oldtimer-Szenen“, sagt Stephan Richter, Pressesprecher des Museums. Die Sammler sind sehr aktiv, den alten Dieselfahrzeugen ist eine Dauerausstellung im PS.speicher gewidmet. „Das Thema ist absolut gefragt, die Landwirtschaft hat eine jahrhundertealte Tradition.“ Vor 100 Jahren wurde der erste Lanz Bulldog auf die Felder gelenkt.
Bei Scharnhop ist das älteste Modell in seiner Sammlung ein 20 PS Normag – 84 Jahre alt und bestens gepflegt. Kein Modell ist eingerostet, auch nicht sein Besitzer, der in seinen Geschichten immer wieder ins Plattdeutsche abgleitet. Neben den selbst gebauten Mietwohnungen auf dem Bauernhof hält er sich mit Posaune, Klavier und Ziehharmonika fit. Corona hat ihn etwas ausgebremst, ansonsten spielt er in drei Posaunenchören. „Wenn ich etwas mache, mache ich es ganz oder gar nicht“, sagt der Rentner, der aus Leidenschaft Länder wie Brasilien, Argentinien und die USA bereist hat.
Er sammelt auch in seinem Kleinen Museum alles wirklich alt. In vier Vitrinen werden Kameras, Taschenrechner und Registrierkassen ausgestellt. Auf dem Dachboden reihen sich Webstühle, Spinnräder und Kartoffelsortiermaschinen aneinander. Die Saison startete Anfang März, bis November kehren Radler regelmäßig ein. Und zu Pfingsten erwartet Scharnhop treue Traktorfans, die mit ihren Wohnmobilen auf seinem Hof übernachten werden. „Alles, was Spaß macht, ist für mich keine Arbeit“, sagt er.
Bedienung:
Das Museum ist von März bis 30. November täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet
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dpa