Frankfurt. Das ist eine große Überraschung. Nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist die Inflation in Deutschland im Januar um 4,9 Prozent gestiegen. Experten hatten hingegen mit einem deutlich niedrigeren Wert gerechnet. Wir erklären, wie die aktuellen Zahlen zustande kamen und was sie für Verbraucher bedeuten.
Wie genau hat sich die Inflation im Januar entwickelt?
Detaillierte Zahlen liegen noch nicht vor. Klar ist aber, dass die Inflationsrate für Januar knapp unter 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt. Auch für Dezember errechneten die Experten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ein Plus von 0,4 Prozent.
Was ist so überraschend an diesen Zahlen?
Alle Experten hatten erwartet, dass ein sogenannter Basiseffekt den offiziell ermittelten Kurs deutlich stärker drücken würde. Im Dezember wurde die Inflation mit 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr berechnet. Eine wesentliche Rolle spielte jedoch, dass im Vergleichsmonat (Dezember 2020) die ermäßigte Mehrwertsteuer – zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Pandemie – noch in Kraft war.
Außerdem war Energie extrem billig. Das drückte damals die Preise massiv nach unten. Im Januar 2021 galten wieder die normalen Mehrwertsteuersätze. Der Vergleichswert für Verbraucherpreise war daher höher. Was die Differenz zu den aktuellen Zahlen schmälert. Experten hatten demnach eine Quote von rund 4,5 Prozent errechnet.
Was ist gerade passiert?
Der Basiseffekt trat fast automatisch ein. Dies wurde jedoch teilweise durch exorbitante Steigerungen bei einer Reihe von Produkten und Dienstleistungen ausgeglichen. Dies gilt insbesondere für Lebensmittel und Energie.
Welche Produkte sind besonders teuer geworden?
Lebensmittelpreise stiegen um 6 Prozent. Detaillierte Zahlen liegen noch nicht vor. Doch die Erzeugerpreise für Agrarprodukte sind in den letzten Monaten stetig gestiegen. Dieser Trend dürfte sich fortgesetzt haben. Gemüse wird teurer, weil es hierzulande zuletzt schlechte Ernten gab.
Dies gilt international auch für Getreide, was wiederum die Preise für Mehl und damit auch für Brot in die Höhe treibt. Verbraucher müssen für Milch, Käse und Butter mehr bezahlen, weil viele Landwirte wegen steigender Kosten die Produktion des Grundnahrungsmittels eingestellt haben. Dadurch ist das Angebot geschrumpft.
Wie sieht es mit der Energie aus?
Laut Destatis sind Brennstoffe und Energie für Haushalte (Heizöl und Erdgas) bundesweit um gut 20 Prozent gestiegen. Deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr mussten Verbraucher in Hessen beispielsweise beim Erdgas: Es legte um gut 77 Prozent zu. Auch die Preise für Heizöl (plus 52,6 Prozent) und Kraftstoffe (plus 25,5 Prozent) stiegen kräftig an. Hinzu kam die Anhebung der staatlich geregelten CO₂-Steuer von 25 Euro auf 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid, die bei der Verbrennung von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Aber Strom kostet auch deutlich mehr.
Wie kam es zur Preisexplosion?
Das liegt zum einen an der starken Nachfrage, die in vielen Ländern nach wie vor besteht – auch wenn sich die konjunkturelle Dynamik verlangsamt hat. Ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Sorte Brent kostet beispielsweise derzeit rund 91 Dollar. Das sind 60 Prozent mehr als vor einem Jahr. Neben Rohöl sind zuletzt auch Gas- und Kohlepreise wieder gestiegen. In den letzten Wochen waren die geopolitischen Turbulenzen durch die Ukraine-Krise ein zusätzlicher preistreibender Faktor. Russland hat seine Gaslieferungen gedrosselt, zudem ist Russland Deutschlands wichtigster Öllieferant.
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Trotz steigender Inflation: EZB hält Leitzins bei Null
Die Inflation steigt und steigt – aber Europas Währungswächter bleiben standhaft. Ein Ende der Geldflut ist nicht in Sicht. Der Kurs ist nicht unumstritten. ©dpa
Welche Rolle spielt die Politik bei der Inflation?
Wie Destatis am Montag mitteilte, schlugen sich Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Rohstoffen und Vorprodukten auch im Verbraucherindex nieder. Die weltweit große Nachfrage nach Gütern aller Art wird durch staatliche Hilfen und Konjunkturprogramme angeheizt. Ermöglicht wurde dies auch durch die niedrigen Leitzinsen der Notenbanken.
Infolgedessen mehren sich die Vorwürfe, dass die Europäische Zentralbank die Inflation fördert, anstatt sie zu bekämpfen, was ihre eigentliche Aufgabe ist. Bisher rechnet die EZB für dieses Jahr dennoch mit einem deutlichen Rückgang der Inflation im Euroraum. Diese solle sich nun „noch weiter in die Zukunft verschieben“, betonte Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank.
Inwieweit sind die privaten Haushalte konkret von der Inflation betroffen?
Dies ist sehr unterschiedlich und hängt stark von der individuellen Situation ab. Lediglich Haushalte, die aktuell einen neuen Liefervertrag abschließen, müssen extrem hohe Erdgastarife zahlen. Viele Bestandskunden haben jedoch Verträge, die Festpreise über einen längeren Zeitraum garantieren. Besonders schlecht geht es Hausbesitzern, die jetzt Heizöl bestellen müssen.
Auch die Mobilität wirkt sich massiv auf die persönliche Inflationsrate aus – für Pendler mit langen Strecken sind die Kosten deutlich gestiegen. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, merkt nichts von den hohen Spritpreisen. Der persönliche Inflationsrechner von Destatis zeigt, dass die individuelle Inflation je nach Energiebedarf derzeit deutlich unter 3 Prozent sinken, aber auch auf über 6 Prozent steigen kann.