Wissen: Bereits 1933 der „Eingang zur Kroppacher Schweiz“

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Pressemitteilung vom 30.03.2022

Am 27. September 1933 erschien in den Siegtalblättern ein Bericht von Ernst Dell, der Besonderheiten, Sehenswürdigkeiten und historische Fakten der Stadt vorstellte. Fast neunzig Jahre später sind viele der Reize Siegstadts von damals noch vorhanden.





1933 gab es im Wissen schon viel zu entdecken. (Foto: Archiv AK-Kurier)

Wissen. Ernst Deller beschrieb in seinem Artikel eine Wanderung durch das Nistertal. Die Geschichten laden zum Aufbrechen ein – zwischen Vergangenheit und Gegenwart:

„Wer von Köln nach Siegen fährt, sieht hinter Au bald die hübschen Häuser unserer größeren Stadt. Der Schnellzug dröhnt hochmütig heran und hält nur kurz an, kurz bevor der Name des Bahnhofs ins Auge fällt. Und nichts bleibt in Erinnerung als eine seltene landschaftliche Schönheit, die stärkere Eindrücke schnell verschwimmen lässt.

Wissen: Ein Name wie viele andere. Kaum einer, der ihn kennt, kaum einer, der auf ihn achtet. Denn der Ort hat keine imposante Silhouette wie Siegburg, die in einer hoch aufragenden Burg gipfelt. Und doch verbirgt sich hinter dem prosaischen Namen „Wissen“ eine ganz stille Welt mit eigentümlichem Charme, sodass sich ein Abstecher auf jeden Fall lohnt. Aus rein historischer Sicht bietet Wissen viel Interessantes. Der Freusburger Pilger, der auf seiner Wanderung auf Wissen stößt, weiß, dass er hier sehr altes historisches Terrain betritt. Bereits 914 wurde der Ort des Wissens an der alten Königsstraße erwähnt. Und in unmittelbarer Nähe liegt Schloss Schönstein. Auch hier schläft die Geschichte. Aus dem uralten Wald erhebt sich das alte Schloss, ein mächtiges Gebäude aus ferner Vergangenheit, das wie ein Bild von Schwind wirkt. Efeu wächst wild um ein winziges Fenster. Der Blick steigt staunend an Mauern, die für die Ewigkeit gebaut scheinen. Die Räume des Schlosses haben viel zu erzählen! Von dem großen Heerführer Melchior von Hatzfeld, „des Kaisers bestem Feldherrn nach Wallensteins Tod“, und von Jean Werth.

Von weitaus größerer Bedeutung ist jedoch das rein landwirtschaftliche Umfeld des Wissens. Hier treffen sich zahlreiche Wanderwege, die in alle Richtungen ins Sauerland, ins Oberbergische Land oder in den Westerwald führen. Romantische Täler, das Nistertal, der Elbergrund, der Selbach, der Wisserbach und der Wipperbach locken Naturliebhaber. Ein Tal ist schöner als das andere, da fällt uns die Wahl doppelt schwer.

Entscheiden wir uns heute für das erste, das Nistertal. Zwanzig Minuten unterhalb von Wissen biegen wir in eine schlitzartige Öffnung ein, durch die die Nister das Westerwälder Wasser der Sieg speist. Die Nister ist einer der schönsten Flüsse im Westerwald. Hier haben wir eine tiefe Schlucht vor uns, die nach und nach immer enger wird und daher kaum Platz für eine Straße lässt. Beim Dorf Helmeroth betreten wir den schluchtreichsten Teil des Nistertals. Hier geht die Straße allmählich in einen Wiesenweg über, der uns mal auf die eine, mal auf die andere Seite des Flusses führt und uns den Weg durch den reißenden Bach über Steininseln (Übergänge aus eingeworfenen Steinen oder Felsplatten) finden lässt Wasser).

Das Tal wird nun immer romantischer. Der Fluss schlängelt sich in scharfen Mäandern hin und her. Überall blicken Felswände aus den bewaldeten, steil aufragenden Talwänden hervor. Die Bewohner erzählen uns stolz von der Kroppacher Schweiz. Plötzlich verirren wir uns und klettern unwillkürlich die Talwand hinauf, bis uns ein stark verwittertes Schild an die falsche Stelle weist. Unser Weg führt uns nun durch dichten Laubwald. Nur noch hundert Schritte, dann tut sich vor unseren Augen ein steiler Abgrund auf. Wir stehen auf einem felsigen Bergvorsprung, der Leyspitze, die uns einen herrlichen Blick auf das Nest gewährt. Unten rauscht das Nest. Ein schmales Band aus Silber schlängelt sich durch Weiden und Wiesen, steile Klippen zeugen vom Paradies.

Weit unten, steil zu unseren Füßen, liegt das Dorf Stein Wingert. Ein vielversprechender Name für den durstigen Wanderer, der hier Weinberge vermutet. Aber vergeblich sucht er danach. Der Name Wingert (= Weinberg) erinnert an längst vergangene Zeiten, als sich die Bewohner der Kroppacher Schweiz mit vielleicht weniger Erfolg im Weinbau versuchten. Rechts führt eine breite Steinbrücke über den Bach zum Dorf Stein, zum Gasthof, wo wohl Forellen gegessen werden; denn der eiskalte Gebirgsbach ist reich gesegnet mit diesen edlen Fischen.

Wir steigen nun den steilen Bergweg hinunter zum Dorf Heuzert. Die Mittagssonne brennt. Die Bäume bieten uns Schutz. Der Durst plagt uns unaufhaltsam nach so vielen Auf- und Abstiegen. Wir freuen uns, unten in Heuzert ein gemütliches Restaurant gefunden zu haben. Die Wirtin bietet uns Bier an. Aber als erfahrene Wanderer wissen wir nur zu gut, dass Alkohol schwächend ist. Also verzichten wir schweren Herzens auf das edle Bier und trinken einen dampfenden Kaffee. Auch an herzhaftem Bauernbrot, gehaltvoller Milch und guten Eiern mangelt es nicht. Hier sind Sie wirklich besser aufgehoben als in einem feinen Wellnesshotel. Aber wir dürfen nicht zu lange ruhen; denn der Weg zum Zisterzienserkloster Marienstatt ist noch weit.

Wir wandern weiter durch schöne Buchen- und Tannenwälder. Bald liegt die Abtei wie ein schmuckes Städtchen in einem einsamen Wald umgeben von Lärm vor uns. Über den Nebengebäuden erhebt sich eine schöne gotische Kirche, die von einem für Zisterzienserkirchen typischen schlanken Türmchen gekrönt wird. Ein freundlicher Pater zeigt uns bereitwillig die Sehenswürdigkeiten und erzählt uns etwas über die Geschichte der Abtei. Es waren Heisterbacher Mönche aus dem Siebengebirge, die 1201 den Grundstein für dieses Kloster legten. Nun statten wir Felsenstübchen, einer urigen Felsenlandschaft mit alter Burgruine, nur wenige Minuten vom Kloster entfernt, einen Besuch ab. Rundherum finden wir zahlreiche Gräber österreichischer Soldaten, die hier in den Jahren 1796 bis 1797 in den französischen Revolutionskriegen gefallen sind.

Über Felder wandern wir dann in die Stadt Hachenburg, die von einem alten fürstlichen Schloss zu Sayn überragt wird. Dort besteigen wir den Zug zur Fahrt in die Kreisstadt Altenkirchen. Von hier bringt uns das Dampfpferd über Au nach Wissen. Wir sind am Ende unserer Wanderung. Die Erinnerung an die Kroppacher Schweiz mit ihren wildromantischen Schluchten, ihren wunderschönen Tiefblicken und ihren hübschen Dörfern und Mühlen wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Das Nistertal ist wohl das einzige, wo wohlige Vergessenheit und Stille wohnen. Aber am Ende wird es noch einmal gesagt. Diese stille, verträumte Welt erschließt sich nicht dem dröhnenden Schnellzug, sondern nur einem gemächlichen Spaziergang.“ (Bericht in den Siegblättern vom 27.9.1933.)


Lokal: Wissen & Umgebung

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